Die Qual der Wahl kann man überall haben. Kardinäle hatten sie vergangene Woche bei der Papstwahl, Bundestagsabgeordnete beim Kanzler, wir sogar in der Mehrzahl: Qualen der Wahlen.
Die erste Wahl hatte ich beim Besuch der örtlichen Eisdiele. Auch wenn dazwischen ein Winter lag, der Besuch knüpfte nahtlos an den Sommer an: Wie immer betrat ich neugierig den Laden, schaute mich um, ließ mich inspirieren, dann kam viel zu schnell ein „Prego!“ und noch fordernder von meiner Frau „Entscheid dich!“. Unter Druck nahm ich dann irgendwas und viel zu viel und wie immer folgte der Vortrag, wie praktisch es sei, mit Schoko und Zitrone feste Sorten zu haben. Ich dagegen finde es beleidigend gegenüber jeder kreativen Eisdiele, ideenlos immer Schoko und Zitrone zu nehmen.
Die zweite Entscheidung, die wir zu treffen hatten, betraf das Kennzeichen unseres neuen gebrauchen Autos. Nach langer Diskussion haben wir nun ein Wunschkennzeichen. Sie wissen schon: man kann bei der Zulassungsstelle die Lottofee ziehen lassen und dann hat man ein Kennzeichen wie M -XY 3785 oder man legt 30 € hin und kriegt, was man will. Ich habe mich lange gegen ein Wunschkennzeichen gewehrt: Ich will nicht, dass an den Anfangsbuchstaben meiner Kinder Mücken kleben.
Wenn ich an der Ampel stehe, ich denke über jedes Kennzeichen nach, das lenkt ab. Ein Kombi hat das Kennzeichen M-LL 8785? Eindeutig! Das Ehepaar, Jahrgang 1985 und 1987, hat zwei Kinder namens Lena und Louis. Oder M-PS 1962 mit einem E-Mountainbike hinten? Natürlich das Auto von Paul Schmidt, Jahrgang 1962. Früher hatte er vielleicht M–PE 6267, da war Paul noch mit Elke aus dem Jahrgang 1967 verheiratet. Aber die ist jetzt mit dem jungen Thomas zusammen und hat BGL-TE 8367. Nie vergessen: BGL heißt Berchtesgadener Land! Ich habe einmal den Fehler gemacht, einem Berchtesgadener zu unterstellen, er käme aus Bergisch Gladbach. Er hätte mich am liebsten die Watzmann-Ostwand heruntergeworfen. Völlig zurecht übrigens.
Unser Kennzeichen? Die Kinder haben drauf bestanden: M-WK 5208. Es ist einfach nur das gleiche Kennzeichen, das wir beim letzten Auto hatten. Das hatte damals die Lottofee ausgespuckt, kurzum: Das Zufallskennzeichen 2015 ist jetzt unser Wunschkennzeichen 2025, nur dass es diesmal 30 Euro gekostet hat. Wenn Sie mal hinter mir an der Ampel stehen, Sie wissen, es hat nichts zu bedeuten: Kein Willi, keine Karin, keiner der 52 ist und ich war auch noch nie auf 5208 Metern. Einfach nur Zufall, der zehn Jahre später zur Familie gehört wie eine zugelaufene Katze.
Zufall. Das ist der Trick für meine nächste Eisbestellung. Ich nehme das dritte Eis in der ersten Reihe und das fünfte in der zweiten. Keine Wahl, keine Qual.