Gefühlt sind wir ja jeden Tag dazu aufgefordert, uns auf härtere Zeiten einzustellen. Und das geht natürlich am besten, indem man selber erst mal härter wird: Wir baden zu Hause selbstverständlich nur noch in kaltem Wasser, selbst der Gummiente gefriert das Lächeln; Rosensträuße übergebe ich ohne schützendes Papier. Und kaum zu glauben, dass wir noch vor Kurzem es für völlig normal hielten, Wespen mit der zusammengerollten Zeitung zu erschlagen. Ich erschlage Wespen ab sofort wieder mit der flachen Hand, wie es sich gehört.
Auch zu uns selbst sind wir härter, na gut, sagen wir mal: zu den Kindern. Wo früher die härteste Ansage gewesen wäre: „Noch einmal und du kriegst nur 15 statt 16 Weihnachtsgeschenken!“, gilt jetzt eine Null-Toleranz-Politik. Vor allem bezieht sich das auf eine Angewohnheit meines Sohnes, selbst in nichtigen Situationen seine Argumente mit einem merkwürdigen spitzen Schrei zu unterstreichen. Wir reagieren darauf sehr empfindlich, einerseits weil das Geräusch eine Mischung ist aus „der Klang, wenn man ein Messer über einen Teller zieht“ und „der Klang von blockierter Kreide auf Schultafel“, andererseits, weil ich einfach neidisch bin. Wie gern würde ich meinen schüchternen Wunsch um eine Honorarerhöhung mal mit einem spitzen Schrei unterstreichen. Aber als Erwachsener macht man so was ja nicht.
Der Schrei ist jedenfalls dazu geeignet, sämtliche positive Stimmung zu zerstören, die zuvor im Raum war, das Geräusch ist das schwarze Loch der guten Laune. Deshalb sagte ich einmal unvermittelt: „Es klingt schrecklich, aber es ist leider so: Jedes Mal, wenn du so einen Schrei machst, stirbt irgendwo auf der Welt ein kleines süßes Elefantenbaby.“ Die versammelte Familie war baff und schaute mich ungläubig an: Wie kaputt muss ein Mensch sein, um sterbende Elefantenbabys als Waffe einzusetzen? Meine Tochter sagte verblüfft „Nein Papa“, mein Sohn „Das stimmt nicht“. Meine Frau erholte sich als Erstes: „Doch, so ist es. Und das Elefantenbaby hat sogar schon etwas Fieber.“ Die Mittel sind vielleicht etwas unlauter, mein Sohn aber seither umso leiser. Ich muss mittlerweile schon meine Frau einbremsen, wenn sie ansetzt, über den Gesundheitszustand eines Elefantenbabys irgendwo auf einer Einhornwiese in Afrika zu spekulieren. Ich habe Angst, schlecht zu träumen: Elefanteneltern können bei Fragen zum Nachwuchs sehr humorlos sein.
Natürlich bin ich aber auch zu mir selbst härter geworden, zum Beispiel bezüglich meiner Sucherei. Neben vielen halte ich es für mein größtes Laster, ständig meine Brille zu verlegen. Ich kann alle nur warnen, mit denen ich in ein paar Jahren einmal in einem Pflegeheim sein werde: Ich werde der nervige Typ sein, der ständig vom Fernsehzimmer zum Essensraum spaziert und seine Brille sucht. Damit es vielleicht doch nicht so weit kommt, habe ich mir jetzt eine besondere Strafe gegen mich selbst einfallen lassen: Wenn ich meine Brille suche, spende ich einen Euro an eine wohltätige Organisation. Ich muss nur noch überlegen, wer das Geld bekommt. Habe gehört, dass es in einer Elefanten-Auffangstation in Botswana reihenweise kranke Elefantenbabys gibt… redaktion@ovb.net