Es klingt verlockend: Kann München mit einer neuerlichen Olympia-Bewerbung die Erfolgsgeschichte von 1972 wiederholen? Wir erinnern uns: Im Zeichen der Ringe war damals halb München eine Baugrube, und keinen hat’s groß gestört. Denn jeder sah, dass es voranging. U- und S-Bahn wuchsen in olympischem Tempo. Auch heute ist München eine Großbaustelle, aber mit dem Vorankommen hapert’s. Was wir mit der Zweiten Stammstrecke erleben, sieht nicht olympisch aus. Eher wie das Seniorensportfest des SV Kniebeuge.
Gewiss: ‘72 war manches leichter. In München gab es noch Platz, und Hans Jochen Vogel musste noch nicht so sehr aufs Geld schauen wie Dieter Reiter heute. Da hat auch das IOC die Hand im Spiel. In den Siebzigern streckten die Hüter der olympischen Idee diese Hand den ausrichtenden Städten sowie der Jugend der Welt noch zum sportlichen Gruß entgegen. Dabei zeigte der Daumen optimistisch nach oben. Inzwischen ist das irgendwie gekippt. Der Arm ist immer noch ausgestreckt, aber nun zeigt der Daumen zur Seite und die Handfläche nach oben. Man ahnt: Das wird teuer.
Kein Wunder, dass das dickste Kapitel in der Bewerbung, die die Stadt nächste Woche einreichen will, die Überschrift „Sponsoring“ trägt. Einige Details sind auf der Whistleblower-Plattform munichleaks durchgesickert:
Die Hoch- und Stabhochsprungwettbewerbe sponsert Investor Ralf Büschl. Auf seine Bitte werden die Stangen, die die Latte tragen, gestaltet wie die Hochhaustürme, die Büschl an der Paketposthalle bauen will. Die Sprungmatte wird der Paketpost-Kuppel nachempfunden.
Finanzkräftiger Pate der Ruder-, Rad- und Kanuwettbewerbe sowie der Skateboard-Ausscheidungen wird BMW – nach heftigen internen Debatten, wie zu hören war. Maßgebliche Stimmen im Aufsichtsrat hätten lieber auf die publikumsstärkeren Laufdisziplinen gesetzt, scheiterten aber am Veto der Marketingabteilung: „Wie sollen wir ,Freude am Fahren‘ promoten, wenn die Akteure zu Fuß unterwegs sind?
Den Schießsport hat sich Krauss-Maffei Wegmann gesichert. Das Skeet-Finale der Herren etwa soll als „Leopard-Trophy“ stattfinden, die Damen kämpfen im „Gepard-Shootout“ um Gold. Die Medaillen hängen – ein verspielter Design-Gag – an Panzerketten.
Das Trampolinturnen als Einzeldisziplin sponsert – ein Novum in der IOC-Vermarktungsgeschichte – ein Sportverein. Slogan: „TSV 1860 München. Dein Spezialist für auf und ab“.
Auch Friedrich Merz und Lars Klingbeil sollen sich als potenzielle Sponsoren ins Gespräch gebracht haben. Als teambildende Maßnahme deklariert, um dem Parteienfinanzierungsgesetz Rechnung zu tragen, wollten sie der Koalition die Patenschaft für das Synchronschwimmen verordnen. Ein hämischer Zwischenruf aus der Juso-Ecke ließ sie zurückzucken: Ey, Leute, es geht um die Spiele 2036 bis 2044! So lange könnt ihr nicht warten, wenn ihr zusammen baden gehen wollt!
*Der Autor liest am Montag, 26. Mai, ab 20 Uhr beim Münchner Poetenstammtisch im Fraunhofer (Fraunhoferstr. 9) aus seinen Glossen und Gedichten. Er teilt sich die Bühne an diesem Abend unter anderem mit dem bairischen Liedermacher Sepp Raith („Haberfeldtreiber“).