Hannah Patalong, Roland Müller, Chris Ross und Gisela Motsch (v.l.) mit ihren Lieblingsstücken aus den Kreislaufschränken. Das Foto rechts zeigt volle Regale im Innern des Schranks. © Yannick Thedens (2)
Das Prinzip ist einfach: Bring was hin, was du nicht mehr brauchst, und nimm mit, was dir gefällt. Der Name: Kreislaufschrank. Seit fünf Jahren können Münchner im ganzen Stadtgebiet 15 feste Hütten und einen mobilen Schrank nutzen. Gerade ist das Projekt mit dem Nachbarschaftspreis der Stiftung Daheim im Viertel ausgezeichnet worden.
Immer wenn Rosemarie K. zum Einkaufen geht, macht sie einen Abstecher in die Giesinger Perle. Das ist der Name des Kreislaufschranks unweit von ihrem Zuhause. Erst kürzlich hat sie dort einen Wintermantel und eine Dose für ihre Weihnachtsplätzchen gefunden. „Da freu’ ich mich jetzt im Sommer genauso darüber“, sagt Rosemarie K. Immer wieder bringt sie auch selbst Sachen aus ihrem Fundus in den Umsonst-Schrank, Kindersachen und Handtücher beispielsweise, die dann im Viertel weitergegeben werden.
Seit fünf Jahren sprießen überall in der Stadt Kreislaufschränke aus dem Boden. Jeder hat einen eigenen Namen. Der RIOgrande beispielsweise steht in Riem, das Schatzkistl in Obermenzing, die Perle eben in Giesing. Das Häuschen, das die Größe einer Gartenhütte hat, wird von Koordinator Roland Müller, Doina Sichim und einem Team aus dem Viertel betreut. Alle schauen, dass in der Perle Ordnung herrscht, dass sie nicht als Müllablage missbraucht wird und dass zum Beispiel keine verderblichen Lebensmittel vor sich hingammeln. Gibt es irgendwo einen größeren Schaden, können sie die Hilfe des Vereins in Anspruch nehmen, der ein eigenes Reparaturteam hat.
Der Verein Kreislaufschränke hat rund 50 Mitglieder und 200 aktive Helfer. Dazu kommen viele stille Engel. Gisela Motsch, Koordinatorin der Tauschhütte Fürstenried, erklärt: „Es gibt fast überall Menschen, die sich kümmern, einfach mal beim Vorbeigehen nach dem Rechten sehen.“ Dass die Idee ankommt, zeigt die Nachfrage nach Rüdiger. Das ist der mobile Schrank des Vereins. Alle vier Monate zieht er an einen neuen potenziellen Standort.
Die Grundidee bleibt überall gleich. Hannah Patalong, Mitbegründerin des Vereins: „Jeder Gegenstand ist etwas wert.“ Sie selbst mag den Begriff Tauschschrank nicht so gerne: „Denn bei uns muss keiner etwas abgeben, wenn er etwas mitnimmt.“
Rund 50 Gäste nutzen das Angebot pro Standort im Schnitt am Tag. „Manchmal sind die Regale schneller leer als im Discounter“, erzählt Chris Ross. Rosemarie K. hat schon viele Schätze in der Giesinger Perle gefunden. Zum Beispiel einen voll funktionsfähigen Kaffee-Vollautomat. Oder auch einen Eierkocher. Wenn die 66-Jährige nichts entdeckt, dann räumt sie immer wieder ein bisschen auf. Je mehr die Menschen mit der Idee vertraut sind, desto mehr achten sie auch auf die Hütten.
An allen Standorten sind Hinweisschilder in verschiedenen Sprachen angebracht. Kleider, Bücher und Lebensmittel sind unerwünscht. Zum einen gibt es da andere Initiativen wie Bücherschränke und Secondhandläden. Zum anderen sind Lebensmittel grundsätzlich problematisch. Selbst in der Blindenschrift findet sich die Bedienungsanleitung des Schranks. Hannah Patalong und der Verein würden sich wünschen, dass bald in jedem Stadtbezirk ein Modell steht und dass die Stadt München selbst welche aufstellt. Ein tolles Design gäbe es auch schon. Die Design-Hochschule in Köln hat den Schrank Lollipop kreiert. Der hat einen Fuß und die Wände sind mit Guckfenstern ausgestattet, sodass man wie bei einem Schaufenster das Angebot von außen sichten kann.
Dass es in den Kreislaufschränken echte Schätze zu entdecken gibt, wissen inzwischen nicht nur die Anwohner. Auch Trödler und Händler nutzen die Möglichkeit. Das sieht der Verein zwiespältig: Zum einen wünschen sich die Initiatoren keine gewerbliche Nutzung, dennoch bekommen die abgegebenen Gegenstände so auch ein zweites Leben.
Die Auszeichnung mit dem Nachbarschaftspreis zeigt dem Verein, dass sich der Einsatz lohnt. Das Preisgeld von 10 000 Euro wird für das neueste Modell des Kreislaufschranks am Dom-Pedro-Platz und die Einweihung des neuen Standorts verwendet.
Eine Übersicht über alle Standorte gibt‘s unter www.kreislaufschraenke.de
DORIT CASPARY