Gezeichnet: Opfer Arndt S. an seiner Wohnungstür. Die Angreiferin wohnte direkt neben ihm. © Fotos: Klaus Haag
Pfarrer Gino Levorato beim Pfingstgottesdienst.
Der tödliche Schuss fiel am Bavariaring. Polizisten haben das Gebiet am Samstag abgesperrt und gesichert.
Jedes Mal, wenn es klingelt, schreckt Arndt S. (57) panisch zusammen. „Dann rast sofort mein Herz wieder“, sagt er. Denn am Samstagabend hatte seine Nachbarin den Münchner mit einem Messer attackiert – und zwar direkt an seiner Haustür in der Westendstraße. Diese Attacke überlebte S. mit viel Glück. Die Täterin (30) wurde noch am selben Abend von der Polizei erschossen – nur wenige hundert Meter entfernt am Bavariaring neben der Theresienwiese.
„Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke“, sagt Arndt S. Er sitzt in seinem Wohnzimmer und erzählt von dem Abend, der ihn beinahe das Leben gekostet hat. Ein großes Pflaster klebt mittig auf seiner Brust. „Hier traf mich das Messer“, sagt Arndt S. Immer wieder klopft er sich mit der Faust auf die Stelle, an der er verletzt wurde. Zack, zack.
Gegen 19.30 Uhr ist es, als Gloria K. am Samstag bei Arndt S. klingelt. „Sie ist vor drei Jahren eingezogen. Unser Verhältnis war freundschaftlich“, sagt der 57-Jährige. Nichtsahnend öffnet er die Tür. „Aber zu sehen war zunächst niemand. Also trat ich einen Schritt in den Flur. Wie ein Blitz kam sie dann von rechts angesprungen. Sie rief laut ‚Schlange‘ und schlug mir wuchtig gegen die Brust.“ Instinktiv drückt S. die Frau von sich weg und reißt seine Tür wieder zu. „In der Bewegung sah ich erst, dass sie ein Messer hat. Dann merkte ich, dass ich blute.“
Im Schock wählt der Verletzte den Notruf. „Mein Hemd füllte sich mehr und mehr mit Blut.“ Doch S. hat Glück: Sein Brustbein verhinderte, dass die Klinge mehr als drei Zentimeter eindringen konnte. „Im Klinikum Großhadern sagten mir die Ärzte, ich kann jetzt meinen zweiten Geburtstag feiern.“
Die Angreiferin hingegen ist tot. „Als die Täterin von Einsatzkräften im Bereich des Bavariarings am St.-Pauls-Platz angetroffen wurde und festgenommen werden sollte, kam es zu einem polizeilichen Schusswaffengebrauch. Die Frau wurde dabei verletzt und anschließend in ein Krankenhaus gebracht, in dem sie kurz darauf verstarb“, teilt die Polizei mit. Nun untersucht das Landeskriminalamt den Fall.
Ein Augenzeuge hatte die Schüsse beobachtet, er war zuvor selbst auf der Straße von Gloria K. bedroht worden. „Mit ganz kalten Augen und wie eine Maschine schaute sie mich an“, sagt er. „Sie stand zwei Meter vor mir und hielt das Messer an der Hüfte.“ Als Gloria K. weiterging, verletzte sie noch eine 25-Jährige in der Schwanthalerstraße. „Die wollte wirklich jemanden umbringen“, so der Zeuge – er habe noch andere Passanten gewarnt.
Laut Polizei war Gloria K. bereits Stunden zuvor auffällig gewesen, als sie in einem Laden im Westend randalierte. Beamte fesselten sie und nahmen sie mit auf die Wache in der Beethovenstraße, um ihre Personalien festzustellen. Weil sie sich beruhigte, wurde sie wieder entlassen. Danach attackierte sie Arndt S. und die Frau – nach aktuellen Erkenntnissen litt Gloria K. unter einer Psychose. „Im letzten halben Jahr war sie verändert und hat viel herumgebrüllt“, sagt Arndt S.
Die Blut-Nacht: Sie hat ein ganzes Viertel erschüttert. Als Pfarrer Gino Levorato am Sonntag die Gläubigen zum Pfingst-Gottesdienst in St. Paul begrüßte, sagte er: „Wenn wir heute die Eucharistie feiern, denken wir auch an das, was gestern vor unserer Haustüre geschehen ist.“ Die Kirche liegt nur wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem die Messer-Attentäterin von der Polizei-Kugel getroffen wurde.A. THIEME, U. HEICHELE