CSD vor 24 Jahren: Alt-OB Christian Ude mit seiner Frau Edith von Welser-Ude und Thomas Niederbühl von der Rosa Liste. © Privat
Der Christopher Street Day steht vor der Tür. Aber das weiß sowieso jeder. Und kaum einer fragt noch, ob denn Liebe Sünde sein kann. Zumindest in westlichen Demokratien, die dies auch bleiben wollen, hat sich doch in den letzten Jahrzehnten die Auffassung durchgesetzt, dass jeder nach seiner Façon lieben und glücklich werden solle.
Das war aber auch in München nicht immer so. Ich erinnere mich noch plastisch an die 80er-Jahre, als der CSD noch ziemlich exotisch und verpönt war. Damals habe ich schon Vereinigungen schwuler Männer anwaltlich vertreten und zu hören bekommen, ich müsse ja wohl auch dieser Community angehören. Als die „Rosa Liste“ ins Rathaus einzog, lud mich ihr Sprecher Thomas Niederbühl ein, die Schirmherrschaft des CSD zu übernehmen und dann auch den Demonstrationszug anzuführen. Das habe ich als bekennender Hetero gerne gemacht, wie alles gemeinsam mit meiner Frau. Andere Stadtoberhäupter folgten erst Jahre später.
Inzwischen gehört es in allen größeren und auch den meisten kleineren Städten parteiübergreifend zum guten Ton, keine süffisanten Bemerkungen über sexuelle Minderheiten zu machen, sondern für Respekt und Liberalität einzutreten. Beim Umzug durch die Altstadt habe ich mich jedes Jahr mehr über die permanent steigenden Teilnehmerzahlen und die herzliche Begrüßung durch ältere Rentnerpaare am Fenster gefreut. „Leben und leben lassen“ war erlebbar das bayerische Lebensgefühl. Nur noch zum Spaß des Publikums erzählte ich gelegentlich von der Dienstaufsichtsbeschwerde, die von sehr konservativer Seite gegen mich mit der Begründung eingelegt worden war, ich dürfe mich nicht zum CSD äußern, weil die Christopher Street in New York liege und damit keine örtliche Münchner Angelegenheit sein könne.
Aber machen wir uns nichts vor: In allerletzter Zeit nehmen die Anfeindungen wieder zu. Eine europäische (!) Regierung (Orban natürlich) entblödet sich nicht, sexuellen Minderheiten Grundrechte zu versagen. Und in Berlin (!) verbietet eine Parlamentspräsidentin, die Regenbogenfahne zu hissen, weil das ja völlig unerträglich wäre. Wegen welcher Botschaft eigentlich? Dem Ja zur Liebe, wie sie gelebt wird? Dem Respekt auch vor anderen Lebensweisen? Der Freude an Toleranz und Vielfalt? Oder will die Präsidentin nur um die Gunst jener buhlen, die Minderheiten ausgrenzen, mundtot machen und sogar wieder tätlich angreifen wollen? Nie hätte ich gedacht, dass ich mal einen Kommentar zum CSD schreiben werde, der mit einem Lob für die CSU endet: Liebe Ilse Aigner, herzlichen Dank, dass Sie nicht so sind und nicht so agieren wie Ihre Amtskollegin im Bundestag!