CSD: Wir sind dabei

von Redaktion

Riesen-Party für Toleranz – Teilnehmer erzählen

Hunderttausende waren im vergangenen Jahr beim CSD auf der Straße. © Uwe Lein/dpa

Dragqueen Samantha Jackson (links) und Annina E. von Strong © Haasz/Limmer

Der Christopher Street Day (CSD) ist eine große Party – und große Politik: Am Samstag ziehen wieder tausende Menschen mit bunten Flaggen, Plakaten sowie Kostümen bei der Polit-Parade des CSD durch die Münchner Innenstadt (siehe Kasten). Ein starkes Zeichen für Freiheit, Offenheit und Toleranz. Anführen wird den Umzug Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der nach seiner Schulter-OP seit Freitag zurück im Rathaus ist. Die große Straßen-Demonstration hat lange Tradition in München – erstmals fand sie in unserer Stadt im Jahr 1980 statt. Mit gerade einmal gut 100 Teilnehmern. Mittlerweile hat sich der gesamte CSD zu einem Großereignis gewandelt – neben der Polit-Parade gibt es ein riesiges Straßenfest (28. und 29. Juni) in der ganzen Innenstadt und eine After-Party im Rathaus. Vergangenes Jahr kamen zum gesamten CSD in München über 300 000 Menschen. Eines der Highlights bleibt aber die Parade: Wir haben mit Menschen gesprochen, die mitlaufen.

Samantha Jackson: Dieses Gefühl von Einheit, von Freiheit, das sei un9vergleichbar auf dem CSD: „So was habe ich vorher noch nie erlebt“, sagt Nikita Volkov (32) alias Samantha Jackson – vor allem auch nicht in seiner alten Heimat, der Ukraine. Volkov kommt aus Odessa, er ist vor rund drei Jahren vor dem Krieg geflohen. In München traute er sich Seiten von sich auszuleben, die er lange unterdrückt hatte: Er, der biologisch ein Mann ist, tritt mittlerweile als Dragqueen Samantha Jackson auf – bei den Shows verkörpert er also eine weibliche Person.

Auch in der Ukraine habe er Drag ausprobiert, doch nicht lang: Denn die Kunstform kollidierte mit seinem früheren Beruf als Opernsänger. „Die Branche ist sehr konservativ – ich musste dafür aufhören, ich selbst zu sein“, sagt er. Doch in München änderte sich das: „Ich hatte nichts mehr zu verlieren – ich dachte, jetzt mache ich endlich, was ich immer schon machen wollte“, sagt er. In München habe er große Unterstützung dafür erfahren, sagt Volkov. Bei seinen Drag-Shows als Samantha Jackson merkt man ihm seinen frühen Berufsweg noch an: Volkov ist ein begnadeter Sänger – oder als Dragqueen eben Sängerin.

Samantha Jackson wird das auch beim CSD zeigen – bei einer Show am Samstag um 16.30 Uhr auf der Community-Bühne in der Fußgängerzone. Und auch bei der großen Polit-Parade läuft die Dragqueen mit – bei der Gruppe Munich Kyiv Queer.

Annina E. (36): Für sie ist der CSD neben der Party vor allem ein politisches Zeichen: „Es geht darum, für die Rechte von queeren Menschen einzustehen“, sagt Annina E. Denn diese seien stark unter Druck geraten: Angriffe auf die queere Community nehmen zu – von Beleidigungen und Pöbeleien im Netz oder im Alltag bis hin zu körperlichen Attacken. Annina E. bekommt das hautnah mit. Denn sie arbeitet für die Fachstelle Strong, die sich gegen Hass und Gewalt gegen queere Menschen einsetzt. Und sie berät queere Geflüchtete. Eine Gruppe, die besonders unter Diskriminierung leide.

Der CSD sei daher enorm wichtig, denn er stärke das Gemeinschaftsgefühl, bringe Sicherheit: „Für viele ist das eine Befreiung, sich endlich offen zeigen zu können, so wie man ist.“ Dass diese Offenheit nicht verloren geht, müsse jedoch hart erkämpft werden. Viele in der Community erlebten gerade einen gesellschaftlichen Rückschritt, vor allem die Hetze im Internet kenne kaum mehr Grenzen: „Einige überlegen sich da, wie offen sie sich wirklich noch zeigen können.“ Vom CSD soll daher ein deutliches Signal ausgehen: „Wir zeigen, dass wir es uns nicht nehmen lassen, aufzustehen und sichtbar zu werden.“ JULIAN LIMMER

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