Menschen lieben Gründe – für einen Grund machen sie fast alles. Und die Gründe müssen noch nicht mal gut sein. So las ich kürzlich von einem schon älteren Experiment, wonach es ausreicht, einen sinnlosen Grund anzugeben, Hauptsache, man sagt „…weil…“ Wenn Sie zum Beispiel gerade diesen Text am Frühstückstisch lesen und gerne noch einen Kaffee bekämen, dann müssen Sie der Studie zufolge gar nicht sagen: „Könntest du mir noch einen Kaffee machen, weil ich bin so müde und …“, sondern es reicht: „Könntest du mir noch einen Kaffee machen, weil könntest du mir noch einen Kaffee machen.“Ein Grund reicht, so sinnlos er ist.
Übrigens, auch Maschinen lieben Gründe. Ein Bekannter, der Experte für Künstliche Intelligenz ist, hat mir erzählt, dass die gängigen KIs bessere Ergebnisse suchen, wenn man dazuschreibt: „Das ist wichtig für meine Karriere.“ Ja mei, wenn’s hilft? „Mache mir drei Vorschläge für den besten Apfelkuchen. Das ist wichtig für meine Karriere.“
Dies alles vorausgestellt, kann erklären, warum ich so hingebungsvoll jene Aufgabe erledigte, die mir meine Frau am vergangenen Wochenende um den Hals hängte. Ich saß nichtsahnend am Frühstückstisch, als mich meine Frau mit dem Wort „Ambrosia“ bekannt machte. Ambrosia? Ich dachte sofort an Asterix und Obelix, verließ den Raum, verlor mich in meinen Asterix-Heften, fand heraus, dass Ambrosia das Essen der Götter war, wurde dann aber wieder in die Realität geholt. Ambrosia sei eine hochinvasive, überaus allergene Pflanze: „Und du gehst jetzt raus und entfernst sie überall, wo du sie finden kannst.“ Und dann der Grund: „Weil sonst, äh, werden wir alle sterben.“ Man muss wissen: Teile der Familie sind stark heuschnupfengeplagt.
Das war ein großer Grund, mein Bestes zu geben. Ich kratzte, schnitt und biss, grub, zerrte und riss, die Pflanzen wehrten sich mit Pollen und starker Wurzel. Bald war ich komplett nass, verschwitzt und verregnet. Doch ich blieb unerbittlich. Der Grund, die Familie vor dem sicheren Heuschnupfentod zu retten, war zu groß.
Wie ein gefeierter Held, beziehungsweise wie ein zu feiernder Held, betrat ich das Haus mit den Worten: „Drei Säcke!“ Meine Frau nahm’s zur Kenntnis – und: Sie habe noch mal das Internet durchsucht, die blühende Pflanze sei vielleicht doch nicht Ambrosia gewesen, aber: „Danke, es sieht jetzt auf alle Fälle ordentlicher aus!“ Ich hatte für einen Grund gearbeitet, den es gar nicht gab.
Seither sinne ich auf Rache: Mit welchem großen Grund kann ich meine Frau dazu bringen, irgendeine lästige Arbeit zu tun? Dringend müsste zum Beispiel das Müllhäuschen gestrichen werden. Die Dachrinne ist verstopft. Und vor allem: Die Tomaten sind vom vielen Regen völlig im Eimer. Morgen werde ich ihr sagen, dass sie das leider alles machen muss, weil, tja, warum: Weil ansonsten eine Kettenreaktion ausgelöst wird, die zum sicheren Atomkrieg führt? Oder weil ansonsten die Zugspitze abrutscht und München begräbt? Weil sich ansonsten der Mond aus der Umlaufbahn löst und auf die Theresienwiese stürzt? Wenn alles nichts hilft, bleibt am Ende immer noch meine neue Lieblingsbegründung: „Du musst das alles tun, weil du musst das alles tun.“ Danke schon jetzt.lokales@ovb.net