Die Beerdigung eines Henkers

von Redaktion

Bewegender Abschied von Wiesn-Legende Ringo auf dem Perlacher Friedhof

Als Henker mit weiß geschminktem Gesicht und Zylinder war Ringo Praetorius vor allem bekannt (Mitte). Auf seinem Sterbebild (li.) steht „Prost sag i“.

Ringo Praetorius‘ Witwe Alexandra.

Der Wiesn-Schichtl Manfred Schauer (links) und sein Team verabschiedeten sich von ihrem Freund. © Marcus Schlaf (6)

Sein Bild steht neben einem Blumenschmuck aus weißen Rosen, Orchideen und blauem Rittersporn. In einem schwarzen Rahmen ist Ringo Praetorius mit seinem dichten Schnauzer zu sehen. Er hält eine Zigarette in der Hand, daneben steht „Prost sag i“. Vor drei Wochen verstarb der Henker vom Wiesn-Schichtl nach schwerer Krankheit. Gestern verabschiedeten sich seine Weggefährten am Perlacher Friedhof von ihm.

Manfred Schauer, der Schichtl, und seine Truppe sind ein eingespieltes Team. Jetzt gerät aber alles etwas durcheinander. „Er war der Fels in der Brandung“, sagt der Henkersknecht, der im echten Leben Andreas heißt. Ringo habe es sich gewünscht, dass er eine Rede am Tag seiner Beerdigung halte. Bis jetzt habe er sich gefragt, ob er es schaffe, diesen vielseitigen Menschen richtig zu würdigen. Also erzählt er von ihrem 16-tägigen Wiesn-Alltag, wie sie sich auf den Füßen standen, immer die richtige Pointe fanden und wie Ringo sagte, dass es im Aufenthaltsraum vom Kabinett wie in einem „Pumakäfig“ stinkt. Sie hätten sich 18 Jahre blind verstanden.

Aber auch viele andere trauerten um den 82-Jährigen, wie Schauspielerin Johanna Bittenbinder. Denn Ringo, der mit vollem Namen Hjalmar Maximilian Ringo Praetorius hieß, war noch viel mehr als der Wiesn-Henker. „Er hat in vielen verschiedenen Sphären gelebt“, sagt Schauer. Kunst und Musik waren seine großen Leidenschaften. Deshalb spielten auch zwei Männer Bluesmusik, zu der einige der Trauergäste mitwippten. Seine Frau Alexandra wollte Ringo seinen letzten Wunsch erfüllen: „Er wollte nicht, dass hier geweint, sondern gelacht und Musik gemacht wird.“

In der ersten Reihe sitzt Ringos ganze Familie, unter ihnen auch seine Stiefmutter und sein Neffe. Dieser spricht über Erinnerungen an seinen Onkel. „Mit ihm fuhr man nicht nach Navi, weil das kannte seine Schleichwege nicht“, erzählt er. Diese führten sie zum Beispiel über abgelegene Landstraßen in Ungarn. Aber auch der jährliche Wiesn-Besuch war Pflicht, mit gelegentlichen Absackern in Münchner Kneipen bis fünf Uhr früh. Ringo war zufrieden. „Das Leben, wie ich es gelebt habe, reicht mir. Ich brauche keine Auferstehung“, sagte er zum Schluss. Dieser Satz stehe auch auf seinem Sterbebild, erklärt sein Neffe. Immer wieder muss er innehalten. „Er hatte eine Bewunderung für das Schräge und Absurde, er war nie angepasst“, sagt er. So verrät er, dass Ringo jahrelang die Breitensteinhütte bewirtschaftete. Oder Christbäume verkaufte. An seinem Grab legte deshalb einer seiner Freunde einen kleinen geschmückten Christbaum nieder. Auch Manfred Schauer nimmt ein letztes Mal nach 40 Jahren Freundschaft Abschied. „Nie wollte er auf der Wiesn arbeiten und hat dann nur unfreiwillig aufgehört“, sagt er. Er kämpft mit den Tränen. Während alle anderen noch am Grab anstehen, setzt er sich allein vor die Aussegnungshalle. Und schaut minutenlang wie gebannt auf das Bild von Ringo. Nach über 15 000 Vorstellungen muss er nun seinen Henker für immer gehen lassen. MARIE-THERES WANDINGER

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