Sie ein aufgeweckter, gebildeter Teenager aus Kabul, er ein Traditionsmensch und streng gläubiger Muslim vom Land – diese erzwungene Ehe in Afghanistan konnte nicht gut gehen. Nach jahrelangen Misshandlungen und der Flucht 2022 nach Deutschland endet ihre Geschichte nun vor dem Landgericht München. Azim S. (58) muss sich seit Freitag wegen versuchten Mordes verantworten, weil er seine Frau Freshta F. (45) mit einem Fleischmesser erstechen wollte.
Ausgehen ohne männliche Begleitung, Besuche im Schwimmbad, keine Lust aufs Kopftuch: Die Sitten, die Freshta F. und die zwei Töchter des Paares in der Laimer Flüchtlingsunterkunft an der Winfriedstraße annahmen, brachten Azim S. zur Weißglut. Er war überzeugt, dass seine Frau ihn betrügen würde. So griff er eines Morgens zu einem 33 Zentimeter langen, scharfen Küchenmesser, schnitt ihr die Wangen auf und stach ihr in Hals und Brust. Den Töchtern, die ihm die Waffe entrissen, ist es zu verdanken, dass F. nicht starb. Vor Gericht wird deutlich, wie unglücklich die arrangierte Ehe von Anfang an war. Schon als Freshta Azim mit 15 heiraten musste, ließ sie ihn wissen, dass sie ihn und sein Dorfleben nicht wollte. Daraufhin schlug er sie jahrelang mit Fäusten und Stock und ließ sie im Stall bei Tieren schlafen. Zurück in Kabul, verdiente sie als Bankangestellte einen Großteil des Familieneinkommens. Nun lebt F. mit den Töchtern immer noch an der Winfriedstraße, S. in Stadelheim. Vor Gericht schweigt er. Urteil wohl Mitte September.IWI