Goldene Pferdefiguren, sogenannte Cavallos, sollen die Gondel symbolisch ziehen. Letztlich muss aber Maximilian Koch die Arbeit machen.
Maximilian Koch ist Gondoliere auf dem Kanal im Nymphenburger Schlosspark. © Yannick Thedens
Ist das schön! Jetzt sind nicht bloß Sommerferien, sondern es ist sogar auch noch Sommer, mit den passenden Temperaturen. Deswegen ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt für den Start unserer großen Sommer-Serie. Jeden Tag entführen wir Sie in ein Münchner Viertel – 25 Mal Freude, 25 Mal Abwechslung, 25 Mal Erfrischung. Los geht’s heute in Nymphenburg auf dem Schlosskanal. In diesem Sinne: Willkommen am Wasser, willkommen im Sommer!
Maximilian und Simone sind unzertrennlich. Maximilian Koch (65) ist groß gebaut, trägt typischerweise Hut und schwarz-weiß gestreiftes Marineshirt, das heute pragmatisch von einer Jacke bedeckt ist. Simone ist die venezianische Gondel, die er vor zwölf Jahren aus der Lagunenstadt gekauft und neu gestaltet hat: Wassernymphen und Pferdefiguren an der Reling, weiße Rosen im Sitzbereich, am Heck eine bayerische Flagge.
„Simone ist auch der Name meiner geliebten Frau“, sagt Koch und erzählt die Geschichte dahinter: Während der Flitterwochen in Venedig sei er nicht nur seiner Gattin, sondern auch der Gondelkunst verfallen. Zurück in Bayern, erlernte er das Gondeln und bietet heute, gemeinsam mit seinem Sohn, Fahrten am Wörthsee und in Nymphenburg an.
„Es ist lustig: Früher habe ich auf Wind gehofft“, überlegt er, während er seine Fahrt beginnt. Er war langjähriger Regattasegler, gewann zuletzt 2010 die Soling-Weltmeisterschaft. „Und heute will ich es möglichst windstill haben.“ Trotz der paar aufziehenden Wolken rudert er in Seelenruhe über den Kanal, der Balanceakt auf dem kaum einen Meter schmalen Boot ist für ihn zur zweiten Natur geworden. Was er am Gondeln besonders mag, seien die Ruhe und Eleganz. „Man ist plötzlich in einer anderen Welt“, schwärmt er. „Deswegen sind meine Passagiere auch immer so glücklich“. Für ihn eine wichtige Balance zu seinem Hauptberuf als Versicherungsvermittler, bei dem es „immer um Unfälle und Schäden“ gehe.
Seine Gäste sind vielfältig, betont er, und stammen aus allen Altersgruppen, vom drei Monate alten Kind bis zur 102-jährigen Seniorin. „Die hab ich sogar dreimal gefahren, so gut gefiel es ihr.“ Viele kommen zu feierlichen Anlässen wie Geburtstagen, Konfirmationen oder Namenstagen. Seit jeher beliebt sei zudem der Heiratsantrag in herrschaftlicher Kulisse: „Dieses Jahr hatten wir schon um die zwanzig.“
Interessierten erzählt er gerne historische Hintergründe der Schlossanlage. Musikliebhaber können einen italienischen Tenor dazubuchen. Doch wer es stiller mag, sei genauso willkommen: „Vor allem Frauen kommen oft allein, sie wollen dann einfach ein bisschen Ruhe.“
Auch Koch ist diese Naturverbundenheit wichtig. Bei gutem Wetter steht er auch außerhalb der Saison früh auf, um kurz nach Sonnenaufgang seine ersten Runden zu drehen. Eine Gewohnheit aus Seglertagen, die ihn nicht nur in Form hält, sondern auch alle Jahreszeiten des Nymphenburger Parks hautnah miterleben lässt. „Besonders liebe ich den Frühling, wenn ab März alles erwacht, aber auch den Herbst mit seiner Melancholie“, sinniert er.
2014, zum 350. Geburtstag des Schlosses, lud ihn die Schlossverwaltung nach Nymphenburg ein. Seitdem ist er aus dem Stadtteil nicht mehr wegzudenken – schließlich knüpft er an alte Münchner Traditionen an. Bereits zu Barockzeiten ließ Kurfürst Max Emanuel die venezianische Schiffskunst über die Alpen bringen. Dutzende Gondeln befuhren damals ein Kanalsystem, das von der Residenz über Nymphenburg bis nach Oberschleißheim und Dachau reichte. Im Vordergrund standen Lustfahrten und Wasserspiele für den deutsch-italienischen Adel. „So wurde Italien nach Bayern gebracht“, resümiert der gebürtige Münchner, „und heute sind wir alle ein bisschen Italiener, oder?“
Im belebten Schlosspark sind Koch und Simone ein Blickfang. Jogger werfen neidische Blicke auf die gepolsterten Sitze, Spaziergänger fragen nach Fotos, ein Kind zeigt fasziniert auf den Gondoliere, der wieder anlegt. Nach zwei Runden hat er sich gut aufgewärmt, doch seine Arbeit geht jetzt erst los. Er wird noch ein Paar mitnehmen. Und er weiß: Es soll einen Antrag geben. „Bei all den Fahrten hat noch nie jemand Nein gesagt“, erzählt Koch und bereitet die Sitzplätze vor. Er arbeitet daran, dass es auch so bleibt.MAGNUS METZLER
Fahrten mit der Gondel
Wer spontan mitfahren will, kann das für 15 Euro pro Person tun. Außerdem lassen sich unterschiedlichste Arrangements über die Webseite www.gondel-nymphenburg.de vorbuchen.