Zwischen Bühne und Büchern

von Redaktion

Die Künstlerin Julia von Miller singt und spielt in zahlreichen Formationen

Ihr Ururgroßvater goss das Reiterstandbild des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern.

Hat immer gerne und viel gelesen: Julia von Miller ist gelernte Buchhändlerin.

Auf der Bühne fühlt sich Julia von Miller wohl. Sie singt, moderiert und unterhält die Leute. „Das macht mir total Spaß“, sagt die Schwabingerin. © Achim Schmidt (3)

Ihre Freundinnen haben es immer gesagt: „Du hast eine super Stimme.“ Im Chor oder sonst irgendwo gesungen hat Julia von Miller (57) damals aber nicht. Bis sie eines Tages in ihrer Schule, dem Oskar-von-Miller-Gymnasium – Oskar von Miller war übrigens ihr Uronkel – eine Band spielen hörte. „Die meinten, sie bräuchten eine Sängerin und ich dachte, das könnte ich doch sein“, sagt von Miller. Weil der Bassist mit ihr im Bio-Leistungskurs war, stand sie zwei Wochen später vor dem Mikrofon.

Ihre Schülerband „Keine Ahnung“ probte Funk-, Soul- und Rock-Stücke, schrieb eigene Songs und trat im Theatron und in der Blutenburg auf. „Ich habe damals in Schwabing gewohnt und bin jeden Tag nach Pasing zum Proben gefahren. Da habe ich gemerkt: Das ist es, was ich machen möchte. Singen! Es hat total Spaß gemacht.“ Weil Julia von Miller immer viel und gerne gelesen hatte, nicht wusste, was sie studieren soll, und ihre Mutter auch Buchhändlerin war, entschied sie sich nach dem Abi aber erst einmal für eine Ausbildung in einem Buchladen und sang nebenher. „Ich wollte was mit Menschen machen und was finden, wovon ich gut leben kann. Während der Lehre habe ich aber gemerkt, dass ich noch was anderes sehen muss.“

Deshalb ging von Miller nach ihrer Abschlussprüfung ein Jahr ins Ausland. Erst nach New York, dann nach Sydney. Dort dachte sie über ihre Zukunft nach. Auch über die Musik. „Ich wollte dann den Traum vom Singen aufgeben – und Geld verdienen.“ Julia von Miller entschied sich für ein Journalismus-Praktikum. Zurück in Deutschland traf sie wieder ihre Freunde, die immer noch Musik machten und gerade eine Rockoper einstudierten. Sie ergatterte eine kleine Rolle, begrub ihre Journalismuspläne und trat mit ihren Freunden 80 Mal in der Muffathalle auf. 15 junge Leute, alle Anfang 20, lebten ihren Künstlertraum. Sie schrieben selbst ihr Stück „Otello“ und führten es gemeinsam auf.

Produziert wurde das Ganze von Star-Regisseur Hans-Werner Geißendörfer (84). „Das war eine tolle Zeit. Da habe ich gemerkt, dass es mir nicht nur Spaß macht zu singen, sondern auch, mich auf der Bühne zu bewegen und zu spielen.“ Musicaldarstellerin werden wollte von Miller aber nicht. Mit den Otello-Vorstellungen verdiente sie ihr erstes Geld, danach lief es richtig gut. Die Sängerin wanderte von Band zu Band, ohne Gesangsausbildung. Los ging‘s bei Ecco DiLorenzo und seiner Soul-Band.

Dann kamen Gospel, Swing, Schlager und Jazz. Von Millers Trick: „Je mehr unterschiedliche Dinge ich mache, desto mehr lerne ich.“ Bis heute singt und spielt sie parallel in über zehn Formationen. „Manche sind von mir, bei manchen mache ich mit. Manche sind mit alten Freunden, manche mit neuen Leuten“, sagt sie. Darunter sechs Programme über deutsche Geschichte mit Schriftsteller Anatol Regnier (80), dem Enkel von Frank Wedekind, ein Jazz-Quartett: das Julia von Miller Quartett, und ein Salon-Orchester: das Odeon-Tanzorchester. Julia von Miller moderiert seit 15 Jahren im Schwabinger Vereinsheim, spielt seit eineinhalb Jahren Theater bei Beatles on Board im Hofspielhaus und tritt dort seit zehn Jahren mit anderen Programmen auf. Sie tourt mit dem Hippie-Kammer-Orchester zusammen mit ihrem Schülerband-Kameraden und ihrer Langzeit-Kollegin und Freundin Ruth von Chelius, mit der sie über 20 Jahre die Musik- und Revueformation „String of Pearls“ hatte, spielt aktuell ein Kabarettprogramm namens „Jurassic Park“ und singt mit ihrem Bruder Max von Millerbei der Band Los Poppos Orchestra. Im Studio lieh sie einigen japanischen Mangafiguren ihre Stimme und war akustisch die Uschi im „Schuh des Manitu“. „Ich habe wirklich viel gemacht“, resümiert sie. Ja, es lief richtig gut bei Julia von Miller. Bis zur Corona-Pandemie 2020.

Kleinkunstbühnen wurden geschlossen, alle Auftritte abgesagt. In der Buchhandlung Wortwahl an der Reichenbachstraße sah sie irgendwann einen Zettel im Fenster hängen. „Aushilfe gesucht“ stand darauf. Weil von Miller dort in der Nähe wohnt, immer ihre Bücher in dieser Buchhandlung kauft und nach dem Abitur eine Ausbildung als Buchhändlerin abgeschlossen hatte, meldete sie sich. „Es hat sich hervorragend angefühlt“, erzählt die Münchnerin, die mit ihrem Mann, dem Künstler, Bühnenbildner und Regisseur für Theater und Oper, Alexander Müller-Elmau (63), zwei erwachsene Töchter hat.

„In der Pandemie habe ich meine gesamte Gesangskarriere abgeschlossen und in der Buchhandlung gearbeitet. Das war ein großer Wechsel, aber tatsächlich auch eine große Freude“, sagt von Miller. Doch 2022 gab es eine Zugabe. Die Künstlerin bekam das Angebot, als singende Moderatorin mit dem GOP-Theater 100 Aufführungen in ganz Deutschland zu begleiten. Drei Jahre später steht sie immer noch auf der Bühne. „Ich genieße diese Zugabe und mache das alles, so lange man mich lässt. Auch die Arbeit im Buchladen.“TERESA WINTER