MÜNCHNER FREIHEIT

Das neue Chi-Chi ist schnörkellos

von Redaktion

Letztens. Da sitzt eine Kathrin im Café an einem Vierertisch, die Begleitung ist grad auf dem Klo. Vier neue Gäste kommen auf sie zu, einer lässt sie Folgendes wissen: „Du kannst dich da drüben an den Tresen stellen, dann können wir uns hier hinsetzen.“

Aha. Jeder halbwegs geübte Kaffeehausbesucher erkennt sofort: Da fehlt der Konjunktiv. Ein „Tschuldigung“ oder „Macht’s dir was aus…“ wäre auch nett gewesen, aber mit einem wohlgesetzten Konjunktiv wie „Du könntest dich doch“ oder „wir könnten“ oder noch höflicher „dann kannterten mia“ wäre die Ansprache von Vornherein schon deeskalierender geraten. So ist der Kathrin angesichts von derartiger Unscharmanz als Reaktion nur Fassungslosigkeit geblieben. Dabei kann sie froh sein. Um „Weg da! Das ist unser Tisch.“ ist sie ja herumgekommen. Schnörkellosigkeit ist nämlich das neue Chi-Chi.

Man merkt das grade in der Gastronomie. Jahrelang war das eigene Kaffeehaus der Traum überarbeiteter Städter. „Ach, ich würd gern zu arbeiten aufhören und so ein richtig süßes Café aufmachen!“ Die realen Wirtinnen hörten es mit schlecht verstecktem Grimm. Neuerdings aber werden im Gärtnerplatzviertel unter dem rätselhaften Jubel von eher 18-jährigen Gästen vorsätzlich unsüße Gaststätten eröffnet, also nichts Edles, keine Hipsterbars, auch kein liebevoll bekränzter Muttiladen mit Babyccino und alten Schulmöbeln. Die Zeit der „Wir spielen Kaufladen“-Kneipen ist vorbei.

BWLer haben die Vorherrschaft übernommen, Kosten und Zielgruppe durchgerechnet und für die Einrichtung möglichst keine Gedanken verplempert. Hohe Preise, nur Kartenzahlung, überwachtes Personal, und zum Schauen gibt es fei auch nix. Die hohen Mieten helfen ja bei der Reduktion auf das Nötigste. Ein idealer, konjunktivloser Werbespruch wäre: „Du kannst dich da reinstellen.“ Über Insta usw. scheint das offenbar zu ziehen. Ein Unterschied zwischen Kaffeehaus und Waschsalon ist nun nicht mehr festzustellen. Moment! Da sollte man schon fair sein: Im Waschsalon liegen manchmal noch Zeitungen aus.