Experimentieren: Cecilia und Harald Lesch verblüffen damit Lehrer und Schüler bei Vorträgen. © Highlights der Physik
Sie machen Physik verständlich: Die Münchnerin Dr. Cecilia Scorza-Lesch erhielt im November das Bundesverdienstkreuz. Professor Harald Lesch freut sich mit seiner Frau. © Müller-Licht
Sie greift nach den Sternen: Dr. Cecilia Scorza-Lesch ist auf einer fast unmöglichen Mission – sie will Menschen die Quantenphysik näherbringen. Erst vor 100 Jahren wurde die Wissenschaft vom Licht und der Materie geboren, die mittlerweile unseren modernen Alltag prägt. Die Astronomin ist an der LMU München dafür zuständig, die Öffentlichkeit und besonders junge Menschen für die Physik zu begeistern. Lassen wir uns anstecken!
Frau Scorza-Lesch, was fasziniert Sie am Weltall?
Die Frage nach unserem Ursprung: Wie ist das Weltall entstanden, woher stammen die chemischen Elemente des Kosmos und woher kommen wir? 1989 kam ich aus Venezuela für meine Promotion nach Heidelberg und habe mich mit weit entfernten Galaxien beschäftigt. Später ging es in meiner Forschung um die Suche nach Planeten, um andere Sterne, den sogenannten Exoplaneten. Letztlich geht es immer um die Frage, ob es dort Leben geben könnte.
Und?
Je mehr wir gesucht und geforscht haben, desto mehr haben wir verstanden, wie viele ganz besondere Eigenschaften und Ereignisse auf unserem eigenen Planeten zusammenkommen mussten, damit er bewohnbar wird. So kam mein Blick zurück zur Erde. Denn es gibt keinen Planeten B, auf den wir umziehen können.
Wie kommt nun die Quantenphysik ins Spiel?
Wenn ich das Licht entfernter Galaxien aufnehme und mit einem Spektrografen analysiere, finde ich Fingerabdrücke der Atome in den Sternen und im Gas zwischen den Sternen. Da treffen sich diese riesigen Gebilde mit 300 Milliarden und mehr Sternen und die Welt der kleinsten Teilchen. Die Quantenphysik bildet das Fundament, um den Aufbau des Universums, die Struktur und Stabilität der Materie und ihrer Wechselwirkung mit Licht zu verstehen.
Was sind Quanten?
Quanten sind eine Art winzige Energiepakete. Der Begriff Quant bedeutet, dass die Energie nicht kontinuierlich, sondern in Päckchen, in Quanten, abgegeben oder aufgenommen wird. Es gibt eine kleinste Einheit, in der Energie auftreten kann. Was sich darunter befindet, können wir niemals feststellen. So bleibt in der Welt der kleinsten Teilchen immer eine Unbestimmtheit. Sogar beim Ort, wo ein Ding ist: In unserer Welt sind wir an die genaue Platzierung eines Dinges gewohnt. In der Quantenphysik schwankt selbst die Angabe eines Ortes. Da steht dann ein Teilchen nicht genau da, sondern genau genommen ist sein Ort eben unbestimmt. Man kann dann nur mit Wahrscheinlichkeiten operieren. Man spricht dann auch vom Wellencharakter der Materie und dem Teilchencharakter des Lichtes. Beides ist erlaubt und möglich in der Quantenwelt.
Das klingt kompliziert!
Am Anfang scheint diese Welt der kleinsten Teilchen und Lichter sehr gespenstisch zu sein. Aber es gibt genaue Regeln für die Wahrscheinlichkeiten, und wenn man diese kennt und befolgt, kann man Atome dazu bringen, das zu machen, was man möchte.
Seitdem man diese Regeln kennt, sind ganz neue Erfindungen möglich?
Jeder kennt Smartphones, Hochleistungschips für Computer, viele verwenden Laserpointer oder LED-Lampen. Wer krank ist, lässt sich im CT oder MRT untersuchen. Diese Geräte konnten erfunden werden, weil bekannt war, wie Materie arbeitet und wie sie mit elektromagnetischer Strahlung wechselwirkt. Ich finde es schade, dass die meisten Menschen sich allein damit zufriedengeben, dass ihr Smartphone funktioniert, aber nicht, warum es funktioniert.
Die meisten haben Physik in der Schule eben nicht in bester Erinnerung! Anders als bei Ihnen!
Ich bin erst in London, später in Venezuela zur Schule gegangen. Dort hatte ich einen Physiklehrer, der uns mit seiner Begeisterung angesteckt hat. Wir haben viele Experimente durchgeführt und auch Projekte in der Nachbarschaft gemacht, z. B. zu sauberem Wasser mit Filtern. In der elften Klasse, bei einem Ausflug zu einer Sternwarte, habe ich dann beschlossen, Astronomin zu werden. Wir waren die ganze Nacht dort, der Sternenhimmel hat mich verzaubert.
In Heidelberg wurden Sie später über Ihre Kinder mit dem deutschen Schulsystem vertraut!
Ich habe eine kleine parallele Welt zu Hause aufgebaut, damit meine Kinder aktives Lernen erfahren. An ihrer Schule habe ich wöchentlich eine Naturphänomene-AG angeboten, damit nicht nur meine Kinder, sondern die ganze Klasse profitiert. Da ging es darum, Experimente zu machen, Pumpen zu bauen, Phänomene mit Licht zu erforschen. Etwas mit Händen zu tun. Alles, nur nicht rumsitzen und dem Lehrer zuhören. Später habe ich eine Astronomieschule gegründet, die demnächst ihr 20-jähriges Bestehen feiert.
Entstand so Ihre neue Leidenschaft, andere für Physik zu begeistern?
Definitiv. Zunächst bekam ich viel Zuspruch von Kindern und Eltern, dann kamen andere Schulen auf mich zu, schließlich die Kultusministerien. Heute haben wir Programme für Lehrer und Schüler (siehe Kasten). Mit meinem Mann, dem Astrophysik-Professor Harald Lesch, biete ich Fortbildungen für Lehrkräfte an. Wir haben gerade ein Buch veröffentlicht, „Quantenphysik für Fußgänger“, um das Thema verständlich zu erklären. 2018 entwickelten wir das Bildungsprogramm „Der Klimawandel: verstehen und handeln“.
Was ist das Ziel?
Im Prinzip geht es um das Verständnis der Erde und wie sie zum bewohnbaren Planeten wurde. Es geht, ganz aktuell, um die Rolle der Atmosphäre, ihre Temperatur und natürlich um nachhaltige Entwicklung: Unser Planet hat Grenzen, wir können ihn nicht unbegrenzt ausbeuten, er ist nicht unerschöpflich. Schüler arbeiten bei unseren Projekten in Gruppen, experimentieren und diskutieren ihre Ergebnisse. Wer den Klimawandel versteht, findet für sich Möglichkeiten zu handeln. Und zwar nicht aus Angst heraus, sondern mit dem Verstand.
Es geht Ihnen also darum, Hoffnung zu machen?
Unbedingt. Und um Selbstwirksamkeit. Wir müssen endlich ins Handeln kommen, das klappt nur, wenn wir wissen, wie wir etwas bewirken können. Dazu gehört das Vertrauen in die Wissenschaften!
SUSANNE STOCKMANN