Eine Familie vor dem Nichts

von Redaktion

Tod mit 34: Vater verliert den Kampf gegen seine psychische Krankheit

Der Rettungssanitäter opferte sich für andere auf. © privat

„Liebe meines Lebens“: Luisa und Matthias Schöpp gaben sich 2022 das Jawort. © privat

Er hat sich für andere aufgeopfert. Als Rettungssanitäter half Matthias Schöpp Menschen, deren Leben am seidenen Faden hing. Doch für ihn selbst kam jede Hilfe zu spät – Matthias Schöpp ist tot. Der Familienvater nahm sich im Sommer infolge seiner psychischen Probleme das Leben. Er wurde nur 34 Jahre alt. Seine Frau Luisa Schöpp (30) spricht offen über den Leidensweg ihres Mannes.

Die Bilder in den Sozialen Medien zeigen einen sportlichen jungen Mann, einen lebenslustigen Naturburschen, der gern in die Berge geht und sich für andere einsetzt. „Der Beruf war sein Leben“, sagt Luisa Schöpp. Doch es gab auch eine andere Seite an ihrem Mann – eine, die nicht mal enge Freunde kannten. „Er war nicht mehr unbeschwert und hat aufgehört, mit mir darüber zu reden, was ihn belastet.“ Im Berufsalltag des Rettungssanitäters war kaum Platz, traumatisierende Ereignisse zu verarbeiten. „Mir ist gerade ein Baby unter den Händen weggestorben“, teilte er seiner Frau einmal am Telefon mit. Dann ging der Melder. Nächster Einsatz. Die inneren Dämonen kamen nachts, raubten ihm mehr und mehr die Lebensfreude.

Ende Januar dieses Jahres wurde der gebürtige Münchner zu einem Einsatz in ein Krankenhaus gerufen. Ein Ungeborenes hatte es nicht auf die Welt geschafft, es starb im Bauch seiner Mama. Schöpp weiß, wie traumatisch das für ihren Mann war. „Wir haben auch ein Kind verloren. Der Einsatz im Januar hat ihn komplett aus der Bahn geworfen.“ Matthias musste sich krankmelden. Der Arbeitgeber habe zunächst Verständnis gezeigt, erzählt die Witwe. Doch wenig später kam die Kündigung, Matthias befand sich noch in der Probezeit. „Das hat ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.“ Denn so belastend der Job war, er gab auch Struktur in einem Leben, das von Grübeln und Zweifeln geprägt war.

Ein Albtraum begann: Die Familie hatte keine finanzielle Absicherung, das Ehepaar musste die laufenden Kosten für Miete, Versicherungen, Auto etc. von seinen Rücklagen bestreiten. Und immer die bange Frage: Was, wenn kein Geld mehr da ist? Parallel lief ein zermürbender Kampf mit den Behörden, Krankenkasse und Berufsgenossenschaft. „Wir haben monatelang gewartet, aber niemand fühlte sich zuständig. Wir waren verzweifelt und haben uns komplett allein gefühlt.“ Schöpps mentaler Zustand verschlechterte sich weiter, trotz einer ambulanten Therapie, die er begonnen hatte. Im April erlitt er eine schwere Hirnblutung, lag im Koma.

Ende Juni kehrte er nach Hause zurück – körperlich geschwächt, psychisch schwer gezeichnet. Trotzdem versuchte er weiterzukämpfen, für seine Frau, für seine Kinder. Doch die Dämonen waren zu mächtig, ergriffen immer mehr Besitz von ihm, bis ihm alle Hoffnung verloren schien. „Ich habe gesehen, wie er sich gequält hat – mit Bildern, mit Gedanken, mit Erinnerungen, die einfach nicht verschwinden wollten. Ich habe gehofft, dass meine Liebe und die Liebe der Kinder stark genug ist, um ihn zu halten“, sagt Luisa. In ihrer unendlichen Trauer schwingt keine Wut mit. Nur Verzweiflung. „Tagsüber funktioniere ich, aber wenn ich abends im Bett liege und die Kinder schlafen, ist es schlimm.“

Ihre Kinder sind noch klein, drei, vier und elf Jahre alt. Sie hat Bürgergeld beantragt und holt gerade den Führerschein nach, um die Kinder in Kindergarten und Schule fahren zu können. Die Familie wohnt in einem Dorf im Landkreis Cham, die Busverbindungen sind schlecht. „Ich brauche einen Führerschein.“ Um ihr in dieser schweren Zeit wenigstens eine kleine Last von den Schultern zu nehmen, haben Freunde auf der Plattform gofundme eine Spendenaktion ins Leben gerufen.

Betroffenen rät die Witwe, offen mit ihren Problemen umzugehen. „Man sollte sich nicht verschließen, sondern darüber reden. Matthias hat viel mit sich selbst ausgemacht – und sich dabei verloren.“

Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen oder Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge unter Telefon 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. DANIELA POHL

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