Hier spricht die Party-Polizei

von Redaktion

Wiesn-Wahnsinn auf der Hackerbrücke: Ein Abend mit den Bundesbeamten

Weist den Wiesn-Besuchern den rechten Weg: Otto Hofmann mit seinem Mikro auf der Hackerbrücke. Sogar Musik spielen die Beamten. © Achim Schmidt

Erster Wiesn-Sonntag, 17.38 Uhr auf der Hackerbrücke. Eine junge Frau bleibt an einem Polizeiwagen mit Lautsprechern auf dem Dach stehen. Sie fragt: „Tschuldigung, ist das der Partybus?“ Otto Hofmann schmunzelt. So würde er ihn nie nennen. Der Polizeihauptkommissar aus Bayreuth gehört zum Team der Bundespolizei, das mit einem Lautsprecher-Bulli die Wiesn-Besucher zu den S-Bahnen lenkt. Sie geben Infos durch und spielen seit 2009 auch Musik, etwa Robbie Williams‘ „Angels“. Wer tanzt, schlägt nicht – das stimme meist, erzählt er.

„Hier für Entspannung zu sorgen, macht Sinn“, ergänzt Wolfgang Hauner. Er ist Sprecher der Inspektion München. Wenn eine Zeit lang keine Bahn fährt, laden sie die Menschen per Mikrofon dazu ein, ein paar Minuten auf der Brücke die Musik zu genießen. Das verhindert eine Überfüllung des Bahnsteigs. Denn die Stimmung im Gedränge, wenn alle heimwollen, kann schnell kippen.

Die Musik schallt mit einer Lautstärke von bis zu 100 Dezibel. „Manche Anwohner fühlen sich dadurch belästigt“, sagt Hauner. „Das ist eine Abwägung, die wir treffen müssen.“ Denn: Die Körperverletzungsdelikte auf der Route über die Brücke seien drastisch gesunken. Aus Sicht der Beamten ist die Aktion ein großer Erfolg und auch die Wiesn-Besucher scheinen es zu lieben. Immer wieder bleiben Menschen für ein Tänzchen oder einen Ratsch mit den Polizisten stehen. Hofmann (54) ist seit 2009 dabei. „Richtig voll wird‘s gegen elf Uhr abends.“ Nach Zeltschließung.

Um 21.45 Uhr sitzt PolizistDominique Pinter (24) im Bus und ist Herr über die Musik. „Ich mag Clubmusik und moderne Beats.“ Was gespielt wird, entscheidet jeder selbst. Es wird abgewechselt. Manchmal wünschen sich Passanten ein Lied. Diese Wünsche erfüllen die Beamten gern – außer es handelt sich um einen Songtext, den sie nicht übersetzen können. Zu groß ist die Gefahr, dass es darin um verbotene Inhalte geht. Um 22.14 Uhr läuft John Denvers „Country Roads“.

Otto Hofmann vom Kommunikationsteam hat die Aktion seit Ende Mai geplant und Kollegen aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengebracht und teils auch aus dem Ausland. Rund 70 Beamte sind heuer an 16 Wiesn-Tagen auf und um die Hackerbrücke im Einsatz. Sie lenken die Leute strategisch. Feierabend haben sie teils erst gegen halb 2 Uhr. Otto Hofmann betont: „Allen Kolleginnen und Kollegen steht es frei, hier mitzuarbeiten.“

Um 22.36 Uhr spazieren Georg und William vorbei. Die Brücke vibriert unter den Füßen, immer mehr Leute kommen. Die Freunde gesellen sich zu zwei am Bus stehenden Beamten – um Danke zu sagen. „Weil die Polizei da ist, fühle ich mich sicher.“

Wenige Minuten später teilt sich die Menschenmenge auf der Brücke. Die Leute machen Platz – dazu fordert Otto Hofmann sie per Mikrofon auf. Sein Tonfall ist ruhig, aber bestimmt. Denn ein Krankenwagen fährt mit Blaulicht auf die Brücke. Es fließt Blut. Sofort kümmern sich die Helfer um eine junge Frau, die sich ein Taschentuch an die Nase hält. „Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber so was kommt natürlich immer wieder vor“, sagt Hofmann. Auch die Polizei nehme auf dem Weg zur Wiesn öfter die Route über die Hackerbrücke. Kräfte der Bundespolizei durchlaufen vor dem Einsatz eine dreiwöchige Ausbildung. Eine Woche lang lernen sie die Technik des Fahrzeugs kennen. Zwei Wochen lang machen sie Sprechübungen und üben deeskalierende Kommunikation.

Um 22.58 Uhr fliegen dann die „Angels“ von Robbie Williams – für einige die Rausschmeißer-Hymne. Otto Hofmann und sein Team beenden ihren Einsatz um 0.45 Uhr.REGINA MITTERMEIER