Schmetterlinge im Bauch vor dem Riesenrad: Sabine Wilson und John Isaacs reisten extra für die Wiesn an. © Achim Schmidt
40 Gondeln, 50 Meter Höhe und ein spektakuläres 360-Grad-Panorama: All das hat das große Riesenrad auf dem Oktoberfest zu bieten. Für so manchen Wiesn-Besucher ist dieses Wahrzeichen, das sich hier seit 1979 dreht, aber noch viel mehr. Denn die Schaustellerfamilie Willenborg zählt in ihrem „Liebesradl“ pro Wiesn zwischen 40 und 50 Heiratsanträge. „Und das sind nur die, von denen wir auch wirklich wissen“, sagt Sebastian Willenborg (33) und grinst.
Abzüglich der beiden Pandemie-Jahre könnten sich in diesen Gondeln auf der Theresienwiese also hochgerechnet schon an die 2000 Paare die Frage aller Fragen gestellt haben. „Auf der ersten Wiesn nach Corona haben wir an einem Rekordtag 16 Anträge gezählt“, erzählt Willenborg. „Da muss der ein oder andere Antragsteller wirklich extra abgewartet haben, bis sich unser Riesenrad wieder dreht.“
Die einen fallen in der Gondel spontan auf die Knie. Andere planen den Antrag akribisch, kündigen sich per E-Mail oder Telefon an und deponieren etwa einen Strauß roter Rosen bei den Willenborgs. Die Familie ist seit 1935 auf der Wiesn vertreten – und unterstützt ihre Fahrgäste traditionell im Dienste der Liebe. Das Wiesn-Wahrzeichen tourt unterm Jahr durch ganz Deutschland. „In Soest haben sich vor Start der Kirmes mal sechs Pärchen in unseren Gondeln standesamtlich trauen lassen“, erzählt Willenborg. „Das macht uns stolz.“
Ganz sentimental werden auch die Wiesn-Besucher Sabine Wilson und John Isaacs. Wilson ist in Benediktbeuern im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen aufgewachsen und hat als Kind jeden ersten Oktober auf der Wiesn verbracht. Heute schlendert sie mit ihrem Ehemann über das Gelände und bewundert das funkelnde Riesenrad im Regen. Für so viel Nostalgie-Gefühle ist das Paar extra aus den USA angereist.
Obwohl Isaacs nicht in einer der Gondeln um Wilsons Hand angehalten hat, haben beide Schmetterlinge im Bauch. „Als John um meine Hand angehalten hat, hätte ich vermutlich überall Ja gesagt“, gesteht Wilson und lacht. Der alte Romantiker hatte seiner Angebeteten vor zwei Jahren einen Antrag am Valentinstag gemacht. Voriges Jahr wurde geheiratet. Das Paar verbindet das gleiche Schicksal. Ihre beiden Partner sind nach sehr langen, glücklichen Ehen gestorben. „Nur wenige Monate nach dem Tod unserer geliebten Ehepartner haben wir uns gefunden – auf einem magischen Hügel in Maryland, das unserem Alpenvorland hier sehr gleicht“, sagt Sabine Wilson. „Nur die Berge haben uns gefehlt.“ Aber die sieht man vom Riesenrad aus.CORNELIA SCHRAMM