MÜNCHNER FREIHEIT

Geschichtsstunde mit Ephraim Kishon

von Redaktion

Neulich musste Lucia, meine beste Freundin, auf ihr Auto warten, das eine neue TÜV-Plakette brauchte. Die Zeit vertrieb sie sich nicht nur mit Kaffee-Schlürfen in der Sonne, sondern sie stöberte bald auch noch in dem öffentlichen Bücherschrank, der quasi vor ihrer Nase einladend mit Lektüre lockte. Und sie machte tatsächlich eine veritable Entdeckung: ein Kishon-dtv-Bändchen. Sie werden sich fragen, was daran so besonders sein soll, denn in so ziemlich jedem (west-)deutschen Haushalt sind Bücher à la „Der Blaumilchkanal“ zu finden.

Ephraim Kishons Satiren waren unglaublich beliebt bei uns, und Redewendungen wie „die beste Ehefrau von allen“ sind aus unserem Sprachschatz längst nicht mehr wegzudenken. Aber das weggeschenkte Bändchen enthält nicht die bekannt charmant-witzigen und skurrilen Geschichten aus dem Alltag in der jungen Demokratie Israel, in „Pardon, wir haben gewonnen“ verarbeitete Kishon (1924-2005) satirisch und mit bitterer Ironie den Sechstagekrieg von 1967. Das Buch mit den Texten aus der Zeitung „Ma’ariv“ erschien 1968 bei Langen Müller auf Deutsch, 1971 beim Deutschen Taschenbuch Verlag; das Fundstück meiner Freundin ist von 1973 und die sechste Auflage!

Jetzt, da Israel nach einem fürchterlichen Gemetzel an seinen Zivilisten wieder kämpft und wegen seiner Strategie, die ihrerseits palästinensische Zivilisten der Vernichtung aussetzt, heftig kritisiert wird, ist „Pardon, wir haben gewonnen“ ein wertvolles Geschichtsdokument. Jeder, der die Satiren liest, bekommt zunächst einmal eine profunde Nachhilfestunde in israelischer Historie. Die besteht zentral darin, dass der Staat seit seiner Gründung 1948 immer von Vernichtung durch die arabischen Nachbarn bedroht war und deswegen zu den Waffen greifen musste, um zu überleben. Und dass man sich von den vermeintlichen Freunden oft im Stich gelassen fühlte. Kishon klagte damals sowohl die UNO an als auch die USA und Frankreichs Präsidenten de Gaulle. Dass all das ins kollektive Gedächtnis der Gesellschaft ein unauslöschliches Leid eingebrannt hat, machen Kishons spöttische Glossen für uns heute miterlebbar.

Dabei sind seine politischen Beobachtungen sicher subjektiv, vielleicht bisweilen ungerecht, zum Teil jedoch so treffend, dass sie heute noch/wieder gültig sind. Wenn er in einem „Brief“ sarkastisch an den höflichen Außenminister Abba Eban schreibt, dass Kultiviertheit schädlich sei: „Die Welt schätzt das nicht. Die Welt schätzt das Gegenteil. Man kann auf die Welt nur durch Härte und Rücksichtslosigkeit Eindruck machen. Nur wer sich als wilder Mann gebärdet, hat Aussicht auf Erfolg.

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