Meistens träumt man im Leben zu groß, vom Lottogewinn und dem Leben als Superreicher, in Wirklichkeit, das weiß man, geht es darum, kleine Wünsche überhaupt wahrscheinlich werden zu lassen. In kleinen Schritten nicht zum großen Glück, sondern zum nächsten Schritt.
Während der Wiesn habe ich nun einen neuen Traum entdeckt – kein Wunder: Die Wiesn ist das ideale Umfeld an Innovation, jedes Jahr neue Fahrgeschäfte, am liebsten jedes Jahr ein neues Dirndl, jedes Jahr neue Mondpreise. Kein Wunder, dass in München all die innovativen Tech-Unternehmen beheimatet sind und auf die Wiesn gehen: Weil plötzlich quer durch Abteilungen gefeiert wird, entsteht im Schnitt pro 10 000 Mass ein neues Patent auf der Wiesn. Das ist keine exakte Statistik, aber ein Gefühl. Und auch in meiner Wiesn-Welt gibt es alljährlich neue Ideen: Zum Beispiel kam jetzt Freund F. auf die Idee, aus möglichst vielen Zelten Gutscheine nicht einzulösen. Dann kann man der Ehefrau sagen: „Leider muss ich bis Ende Oktober noch einmal in Wirtshaus X, um die Marken aus dem Hackerzelt aufzubrauchen, im November dann noch in Kneipe Y wegen der Gutscheine aus der Bräurosl, und im Dezember…“ Und so geht das dann weiter.
Umfangen von diesem innovativen Wiesn-Geist kam ich ebenfalls auf eine neue Idee für meinen eigenen Alltag: Wie jeden Morgen seit Jahren und noch mindestens für die nächsten 20 Jahre quetschte ich mich in die S-Bahn Richtung Innenstadt und verbrachte die Fahrtzeit damit, mein Schicksal anzuklagen und die Fahrgäste auf den Sitzplätzen neidvoll anzuschmachten: Eine Dame mittleren Alters trank entspannt ihren Kaffee, ein anderer las ein Buch, einer hatte gar seine Jacke an den Haken gehängt, biss in eine Semmel uns las Zeitung. Alle, die saßen, wirkten so entspannt wie bei der Yogastunde im Wellnesshotel. Auf der Höhe von Laim rief mein Innerstes: Das will ich auch! Irgendwie!
Deshalb hier jetzt ein Hilfegesuch an einen sagen wir „Robin Hood aus Röhrmoos“. Denn Röhrmoos ist fünf Stationen vor meiner: Als selbstloser Robin Hood, als der Du ja immer an die Benachteiligten denkst, wirst Du in Zukunft jeden Morgen in Röhrmoos in jene S-Bahn steigen, die um 7.38 Uhr in Untermenzing ist. Dort werde ich zusteigen und mir rein zufällig einen Stehplatz in Deiner Nähe suchen. Und dann wirst Du selbstlos vom Sitzplatz aufstehen, sehr hastig, und leider leider alles Mögliche vergessen: Einen frischen Kaffee, eine Semmel, ja sogar die Zeitung. Und ich werde Dein Erbe antreten, Sitzplatz inklusive. Wäre doch schade, wenn das alles ungenutzt bis Erding fährt.
Schritt für Schritt zum großen Traum: Robin oder eher Robine Hood aus Röhrmoos, wer ist bereit? Inzwischen mache ich mir ab morgen schon einmal das Stehen schöner und nehme Kaffee, Semmel, Zeitung mit in die S-Bahn. Das geht auch auf zwei Beinen – und wenn nicht, verteil ich Kaffee und Semmel an die anderen Fahrgäste: Bis das mit Robin oder Robine aus Röhrmoos läuft, mach halt ich die Mutter Teresa von Menzing. Auf zu neuem Pendlervergnügen, Schritt für Schritt im S-Bahn-Tempo!