Es zeigt sich schon beim Namen. Die „Kirchweihdult“ steht an im Stadtteil Au. Und alle waschechten Münchner, die seit letztem Jahr in der Stadt leben und einem Beruf nachgehen, der aus vier unverständlichen englischen Begriffen besteht, fragen sich, was denn eine Dult sei – und was Kirchweih. Ja, die Auer Dult wirkt wie aus der Zeit gefallen, aber eben nicht wie der Onkel, für dessen Sprüche man sich bei jedem Familienfest schämt. Die Auer Dult ist ein Markt wie eine Tante, die unangemeldet vor der Tür steht, Kuchen vorbeibringt und eine Tasche mit guten, alten und vor allem unbenutzten Dingen aus dem Keller, für die man im Nostalgie-Fachgeschäft hinter dem Rathaus ein Vermögen ausgeben müsste. Man hat sie einfach gern, die Tante und die Auer Dult – und stellt erst Monate später fest, dass eine Champignonbürste nicht zwingend das Leben bereichert, aber auf jeden Fall die Küchenschubladen verstopft.
Wenn am Samstagvormittag die Verkaufsstände öffnen, müssen Zeitgeist und Fortschritt erst mal draußen bleiben und im Bällebad spielen. Die Künstliche Intelligenz macht der Hausfrau Platz. Vegan ist dann wenig auf dem Mariahilfplatz. Und an Glasfaserkabel denkt auch keiner, eher an Glasreiniger und Wäscheleinen. In den Verkaufsgassen im Schatten des Kirchturms kennt man den Unterschied zwischen Emaille und E-Mail. Wer hier flaniert, weiß, dass eine Guglhupfform nichts mit der Suchmaschine zu tun hat.
Ein Besuch entschleunigt in Rekordzeit. Selbst der „Head of verbal communications“ des Start-ups aus den Highlight-Towers hat plötzlich die Muße, sich einen Holzschrubber anzuschauen, und zwar ganz genau. Am Ende kauft er ihn vielleicht nicht, aber das ist auch in Ordnung. Stattdessen nimmt er Gewürze mit – und Geschirr, das ewig hält, außer man stellt es in die Geschirrspülmaschine.
Freilich: Für immer wollte der Münchner nicht auf der Auer Dult bleiben. Wenn Nostalgie zum Normalzustand wird, dann verliert sie an Charme. Insofern ist es sehr weise, dass es nur drei Dulten im Jahr gibt. Für den Rest des Jahres gilt:Ein bissl Induktionsherd darf es schon sein für den Münchner. Man lebt lieber im Millionendorf als im Museumsdorf. Aber bis zum Sonntag in einer Woche lässt es sich gut aushalten mit der alten Tante unter den Münchner Märkten.