Malerin Melanie Siegel überlegt, München zu verlassen.
Künstlerin Sara Rogenhofer soll das Doppelte zahlen.
Filmemacher und Kulturpädagoge Till Coester und Künstlerin Uli Schulz haben Angst ums Kreativquartier. © M. Götzfried (3)
„Existenzbedrohend“ – mit diesem Wort beschreiben Kunst- und Kulturschaffende die Änderungskündigungen auf dem Gelände des Kreativquartiers an der Dachauer Straße. Ende September sind die Briefe eingetrudelt. Wer dort ab Januar weiterhin einen Raum mieten will, kann das zwar. Allerdings bringen die neuen Verträge teils drastische Mieterhöhungen mit sich. Insgesamt geht es um circa hundert Verträge.
Die Mieten für einen Raum würden sich meist verdoppeln oder sogar verdreifachen, sagt Uli Schulz. Das Atelier der bildenden Künstlerin ist im Haus 2 untergebracht. In Einzelfällen sollen die Mieten sogar um das Fünf- oder Sechsfache steigen. Das betreffe Räume, die vorher günstiger eingestuft worden seien, da sie zum Beispiel im Keller seien, sagt Schulz. „In so einem kurzen Zeitraum so viel mehr zahlen zu müssen, bedroht die Existenz der Menschen.“
Bis 2019 gehörte das Gelände am Leonrodplatz der Stadt München. 2020 wurde es an die Tochtergesellschaft Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrumsgesellschaft (MGH) übertragen. Geschäftsführer Rudolf Boneberger könne die Betroffenen verstehen, sagt er zu unserer Zeitung. Aber: „Die betreffenden Mietverträge wurden weitgehend noch von der Landeshauptstadt München mit den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern vor 2020 abgeschlossen.“
Damals sei die Stadt davon ausgegangen, dass das Gelände nur temporär genutzt werde und in absehbarer Zeit abgebrochen werde, so Boneberger. Daher sei eine sehr niedrige Miete vereinbart worden. Das städtische Bewertungsamt hat nun ein Gutachten für das Quartier erstellt und die Miete für die Gebäude festgelegt. Boneberger: „Damit ist die MGH verpflichtet, die Mieten anzupassen.“
Doch genau diese Anpassung sorgt für Verzweiflung bei den Kunst- und Kulturschaffenden. Auch bei Malerin Melanie Siegel. „Man weiß gar nicht, wo man sonst hinsoll“, sagt sie. „Ich brauche eigentlich doppelt so viel Platz. Aber noch mehr zu zahlen, ist für mich völlig utopisch.“ Die Kosten für ihr 25 Quadratmeter großes Atelier sollen im Januar von 360 auf 530 Euro steigen. Sie überlegt, aus München wegzuziehen.
Sara Rogenhofer mietet einen Raum im Atelierhaus. Sie sagt, dass die Stadt Räume brauche, in denen sich die Kunst frei entwickeln könne. „Aber mit solchen Preisen werden die Menschen vertrieben.“ Derzeit zahlt Rogenhofer für 43 Quadratmeter circa 360 Euro. Ab Januar sollen es 747 Euro sein.
Als weiteres Beispiel nennt die Künstlerin einen 79-jährigen Bildhauer. 250 seiner Plastiken lagern im Keller des Atelierhauses. Seine Miete soll von 600 auf etwa 1300 Euro steigen. Der Bildhauer wisse nicht, wie er das zahlen soll, sagt Rogenhofer. Der 79-Jährige könne mit seinen Skulpturen und der geringen Rente nicht umziehen.
Drei Häuser auf dem Gelände seien besonders betroffen, darunter das Leonrodhaus, das Haus 2 und das Atelierhaus, sagt der Filmemacher und Kulturpädagoge Till Coester. Und an machen Räumen hängen wiederum mehr Personen dran, teilweise auch Vereine. Auch der 43-Jährige teilt sich sein Büro bereits. Er wird wohl nicht darum herumkommen, sich eine dritte Person ins Boot zu holen, sobald die Mieten steigen.
Die Kunst- und Kulturschaffenden wünschen sich eine Rückübertragung des Geländes an die Stadt München, sagt Coester. Die neuen Verträge wollen sie erst mal nicht unterschreiben.