Siegfried lässt die Puppen tanzen

von Redaktion

Münchner Marionettentheater wird 125 – Große Revue zum Jubiläum

Kasperl Larifari: Er ist der Hausherr.

Franz Josef Strauß und Angela Merkel als Puppen.

Das Münchner Marionettentheater steht seit 1900 an der Blumenstraße.

Siegfried Böhmke ist seit 25 Jahren Intendant beim Münchner Marionettentheater. © Astrid Schmidhuber (4)

Der heimliche Hausherr baumelt am Faden und nickt mit seinem Hut dem gestiefelten Kater zu. „Der Larifari ist der Inbegriff des Münchner Kasperls“, erklärt Siegfried Böhmke und beugt sich über die Brüstung der Spielerbrücke, in der Hand hält er das Spielerkreuz der Marionette. „Die große Kunst des Puppenspiels besteht darin, einem toten Gegenstand Leben einzuhauchen“, erklärt er. Dann streckt er sich durch. „Puppenspieler sein ist anstrengend.“ Da zwickt es schnell im Rücken. Trotzdem: Für Böhmke gibt es nichts anderes. Neben dem Kasperl Larifari ist er hier schon lange der Hausherr.

Seit 25 Jahren leitet Böhmke als Intendant das Münchner Marionettentheater nahe dem Sendlinger Tor. Das Haus selbst feiert jetzt auch ein Jubiläum: Anfang November wird es 125 Jahre alt. Es gilt als ältestes nicht mobiles Marionettentheater Europas.

Böhmke deutet auf ein Porträt neben der Bühne: „Das ist Josef Leonhard Schmid, der Gründer des Theaters.“ Sein Spitzname: Papa Schmid. Gegenüber prangt ein Foto des größten Förderers des Marionettentheaters: Graf Franz von Pocci, Hofbeamter, künstlerisches Multitalent und Erfinder des berühmten Münchner Kasperls Larifari. Als Bub durfte Papa Schmid in einem Puppentheater eines Verwandten mitspielen. Von seinen Kindheitserinnerungen getrieben, richtete er später in München ein kleines Zimmertheater ein. „Der Zuspruch wuchs enorm“, erzählt Böhmke. Papa Schmid träumte von einem festen Theater in einer Zeit, in der Puppenspieler von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zogen. Daher bat er Graf von Pocci per Brief um Hilfe. Dieser ließ seine Beziehungen in höchste Kreise spielen. Zunächst schrieb der Adelige ein Stück für Papa Schmid, „Prinz Rosenroth und Prinzessin Lilienweiß“. Es feierte 1858 in einer Lokalität nahe dem Bayerischen Hof Premiere – die Geburtsstunde des Marionettentheaters. In den folgenden Jahren wechselte Schmids Theater neun Mal die Spielstätte, die letzte wurde 1899 aus Brandschutzgründen dichtgemacht. Weil sich Papa Schmid einen Namen gemacht hatte, baute ihm die Stadt ein Haus an der Blumenstraße, wo sich das Theater bis heute befindet.

Anfang November 1900 öffnete das Theater seine Türen mit dem Stück „Das Glück ist blind oder Kasperl im Schuldturm“, geschrieben von Graf von Pocci. 1913 starb Papa Schmid. Tochter Babette übernahm die Leitung. Nach ihrem Tod führte der Mitarbeiter Karl Winkler die Geschäfte fort. Ihm wurde 1933, während der Zeit des Nationalsozialismus, gekündigt. Laut Böhmke weigerte sich Winkler, „Stücke mit NS-Ideologie“ zu spielen. Als Direktor folgten Hilmar Binter und Franz Leonhard Schadt, der das Theater 43 Jahre leitete. 2000 übernahm Böhmke das Ruder.

Mit flotten Schritten steigt Böhmke die Wendeltreppe hinauf, ganz oben liegt das Marionettenlager: Mozart, Aloisius, Könige und ägyptische Figuren hängen dicht gedrängt an Haken. Im Nebenzimmer tummeln sich Handpuppen oder Klappmaulpuppen wie Franz Josef Strauß und Angela Merkel. „Über 3000 Puppen habe ich gemacht“, sagt der Intendant. Aus Zirbenholz geschnitzt und mühsam modelliert. Rund 600 lagern im Theater. Der historische Fundus aus der Zeit von Papa Schmid ist heute im Stadtmuseum aufbewahrt. Die Kulissen indes werden in der theatereigenen Werkstatt gebaut. Böhmke deutet auf ein Teil aus der „Zauberflöte“. Dann aber muss er wieder hinter die Bühne. Die nächste Probe steht an. Hausherr sein ist ein Fulltimejob. Das weiß auch der Kasperl Larifari seit 125 Jahren.

Ein Festabend zum Doppeljubiläum findet am 1. und 2. November im Münchner Marionettentheater statt. Auf die Zuschauer wartet eine 90-minütige Revue. Beginn: 19.30 Uhr, Tickets (22 Euro) auf www.muema-theater.de oder vor Ort. MARLENE KADACH

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