Glas: „Die Wahrheit kann wehtun“

von Redaktion

Ein neues Buch der Schauspielerin enthüllt: Ihr Vater war bei der Waffen-SS

Das Buch „Du bist unwiderstehlich, Wahrheit“ (174 Seiten) erscheint morgen bei Mosaik und kostet 22 Euro.

Die Waffen-SS-Division Skanderbeg war auf dem Balkan im Einsatz. Christian Glas soll Mitglied der Division gewesen sein. © privat

Glückliche Familie: Uschi Glas 1983 mit ihren Söhnen Alexander und Benjamin, Mutter Josefa und Vater Christian. © dpa Picture Alliance

„Wahrheit kann wehtun. Aber es hilft nicht, sie zu ignorieren.“ Es ist eine erschütternde Erkenntnis, die Uschi Glas nun öffentlich macht: Ihr Vater war bei der Waffen-SS. In ihrem neuen Buch, das sie zusammen mit Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, schrieb, erzählt sie, wie sie durch einen Ahnenforscher von der Nazi-Vergangenheit ihres Vaters Christian erfuhr. „Der Schock sitzt tief“, sagt die 81-Jährige.

Schon seit vielen Jahren ist die Münchner Schauspiel-Legende bekannt für ihr großes soziales Engagement. Zuletzt machte sie durch ihre Solidarisierung mit Juden in Israel auf sich aufmerksam, schloss sich in München den „Run for Their Lives“-Schweigemärschen für die im Gazastreifen verschleppten Geiseln an. Um das Schicksal der Juden geht es auch in ihrem Buch. Und darin erzählt sie sehr ehrlich und persönlich, wie sie eigentlich hoffte, auf jüdische Wurzeln zu stoßen – dann aber eine dunkle Vergangenheit aufdeckte.

Über die Nazizeit wurde in ihrer Familie nicht gesprochen, erzählt Glas. „Im Gegenteil, es herrschte Schweigen darüber, wie Eltern und Großeltern den Aufstieg des Nationalsozialismus erlebt oder wie sie über ihn gedacht hatten.“ Ihre Mutter Josefa blockte stets ab: „Frag deinen Vater.“ Papa Christian, der 1947 aus Kriegsgefangenschaft heimgekommen war, schwieg zeitlebens. „Das kannst du nicht verstehen“, antwortete er auf ihre Fragen, und sie erzählt, wie sehr sie das traf: „Wutentbrannt rannte ich aus dem Zimmer, schlug hinter mir die Tür krachend zu.“ 1992 starb Uschis Vater mit 79 Jahren.

Anfang 2025 nun engagierte sie Ahnenforscher Christian Hoske. Was dessen Recherchen offenbaren sollten, „erwarte ich mit Spannung, Unbehagen und Angst“, erzählt sie im Buch und schildert auch den Moment, als sie schließlich Nachricht über Hoskes Ergebnisse erhält: „Eine Mail, die mir die Sprache verschlägt.“ Sie schreibt: „Jetzt weiß ich: Mein Vater hat mir nie die Wahrheit gesagt.“

1931, also zwei Jahre vor Hitlers Machtergreifung, sei ihr Vater der NSDAP beigetreten, das erfährt sie nun. Er arbeitete später als Verwaltungsbeamter in der Landauer Stadtkämmerei, wurde später in verschiedenen Kommandos eingesetzt. Der Schock für Uschi Glas kommt, als sie liest: „Am 15. August 1944 trat mein Vater in die Waffen-SS ein.“ Ab 11. September 1944 diente er in der 21. Waffen-SS-Division „Skanderbeg“. Diese operierte auf dem Balkan „und war für zahlreiche Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung in Kosovo und Umgebung mitverantwortlich, darunter auch die Deportation mehrerer hundert Juden ins KZ Bergen-Belsen.“

Wie konkret Glas‘ Vater daran beteiligt war – dies ist unklar. Der Ahnenforscher schreibt: Die Rolle von ihm in der Waffen-SS „scheint eine rein technische Funktion ohne Fronteinsatz gewesen zu sein“.

Dennoch sagt Uschi Glas: „Der Schock sitzt tief. Die Erkenntnis macht mich ratlos und sprachlos.“ Ihr Fazit lautet: „Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen. Wir müssen sie suchen und finden und aussprechen und jeden Tag aufs Neue für sie einstehen.“ Auch im Hinblick auf Entwicklungen der Gegenwart. Ihren Kindern und Enkelkindern möchte die 81-Jährige immer sagen können: „Ich habe mich nicht weggeduckt, sondern ich habe versucht zu helfen.“ANDREA STINGLWAGNER

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