MÜNCHNER FREIHEIT

Hütet Euch vor Morataro!

von Redaktion

Man sollte ja nie Zweifel daran haben, dass das eigene Handeln Auswirkungen auf die große weite Welt hat. Denn wenn man das, was man tut oder nicht tut, für egal hält, endet die Welt so wie die Wertstoffinsel vor unserer Haustür, wo sich nicht nur Füchse und Ratten an den dort wild abgestellten Tüten bedienen, mit zunehmender Kälte ist auch mit streunenden Eisbären zu rechnen. Die Eisbären werden dann nicht nur den Kopf schütteln über den Saustall, sondern womöglich auch jene Menschen, die die Tüten dort abstellen. Und dann wäre da auch noch ich als Rächer – mit meinen Verwünschungen, die möglicherweise mehr Wirkung haben, als bisher gedacht.

Das kam so: Mein Sohn ist sich aktuell sicherer denn je, dass er das Schicksal der Welt nicht nur mitbestimmt, sondern entscheidet. Man könnte das einen Spaß oder einen Tick nennen, er hält es für ganz wichtig: Immer, wenn man im Tagesverlauf zufällig bemerkt, dass Stunden- und Minutenzahl gleich sind, also etwa um 10:10 Uhr, muss man, so will es die aus der Schule mitgebrachte Regel, auf den Tisch klopfen: „Oh, mein Gott“, ruft er dann, „10:10 Uhr!“ – und er klopft panisch auf den Tisch. „Warum macht ihr das?“, fragte ich kürzlich. Seine Antwort: Das bringt Glück. „Und wem?“. Die große Antwort: „Mir und der ganzen Welt.“ Für Profis:Besonders viel Glück bringen übrigens die Uhrzeiten 11:11 Uhr – erst recht heute am 11. 11. – und 22.22 Uhr. Dann muss man, so wollen es die Regeln, mit der Stirn das eigene Knie berühren.

Die ganz großen Veränderungen habe ich noch nicht bemerkt, seit mein Sohn vor einigen Wochen damit angefangen hat. Aber die Idee, man könnte, ohne es bewusst zu merken, auf der anderen Seite der Welt irgendwas bewirken, weil man um 16.16 Uhr auf die Uhr schaut, hat was. Vielleicht bin ich auch selbst mächtiger, als ich dachte? Wie wäre es, wenn ich zaubern kann? Ich habe die Angewohnheit, beim Gähnen irgendwelche Silben aneinanderzureihen. Zum Beispiel gerade beim Schreiben des Wortes „Gähnen“ musste ich gähnen und das Wort „Morataro“ purzelte heraus. Seitdem mein Sohn an seine Wirksamkeit glaubt, glaube ich es auch: Irgendwo auf dieser Welt oder einer parallelen Erde passiert etwas, weil ich „Morataro!“ gesagt habe beim Gähnen. Vielleicht verwandelt „Morataro!“, einmal ausgesprochen, irgendwo gerade Eisen zu Gold oder eine S-Bahn fährt pünktlich.

Bisher ahne ich nur, dass ich magische Fähigkeiten habe, ich beobachte das Gähnen und die Wechselwirkung mit dem Weltgeschehen ab sofort genau. Deshalb, liebe Müll-Abstell-Faullenzer bei mir gegenüber: Es kann sein, dass mein Sohn um 12:12 Uhr die Welt rettet und auch eure dunkle Seele. Es kann aber auch sein, dass ich bald bemerke, dass „Morataro!“ und alles, was ich beim Gähnen sage, Menschen in Ameisen verwandeln kann. Hütet euch, wenn ich das nächste Mal vor der Wertstoffinsel jemanden eine Tüte abstellen sehe. Vielleicht muss ich ja gerade gähnen …

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