Niemals geht man so Gans

von Redaktion

Abschied von Münchens Gourmet-Wirtin Inge Stollberg – Weggefährten erinnern sich

Im Juli 2017 feierten (v. li.) Birgit Netzle, Inge Stollberg, Edith Pongratz und Evi Hiebl 50 Jahre „Grüne Gans“

Im Alter von 84 Jahren gestorben: Inge Stollberg – die Wirtin der „Grünen Gans“. © Marcus Schlaf, Heinz Weissfuss

Ihren Namen kennen viele Münchner. Ihren Abschied aber haben einige noch nicht bemerkt. Am 20. September verstarb Inge Stollberg, die langjährige Wirtin des Gourmet-Restaurants „Grüne Gans“ am Viktualienmarkt (Am Einlaß 4). Eine Infektion habe ihr schwer zugesetzt, erzählt Franz Gerstner unserer Zeitung. Der Münchner (85) ist ein langjähriger Weggefährte und Freund von Inge Stollberg. Sie wäre am 7. November 85 Jahre alt geworden.

„Sie hat Soßen gemacht – wie ein Gedicht!“, erinnert sich Evi Hiebl (82). Die frühere Wirtin des Weichandhofs in Obermenzing weiß, was es heißt, eine Gastronomie zu führen. Evi Hiebl und Inge Stollberg kannten sich durch einen Stammtisch von Münchner Wirtinnen, den es seit 1992 gibt. „Wir waren mal 14 Frauen, fünf sind schon verstorben.“ Sie treffen sich immer noch regelmäßig. Inge Stollberg fehlt jetzt.

1966 lernte Bürokauffrau Inge den Stuart und Kellner Julius Stollberg kennen. Sie war Quereinsteigerin und Autodidaktin – brachte sich selbst also das feine Kochen bei. Julius kümmerte sich um die Nachtische und den Abwasch. Gegenseitig riefen sie sich mit dem Namen „Bärla“. Die Mannschaft der Gans war klein und nur sonntags war Ruhetag. Da gingen die Bärlas zum Essen und legten mal die Beine hoch. 2017 feierten sie das 50-jährige Jubiläum der „Grünen Gans“. 2019 starb Julius Stollberg – und seine Frau gab das Lokal auf. Seitdem tischt dort ein Kolumbianer auf. Ganz früher war dort übrigens ein Puppentheater untergebracht.

1975 aß Franz Gerstner zum ersten Mal mit einem Freund in der „Grünen Gans“ mit ihren gut 20 Plätzen. Er sei so herzlich aufgenommen worden, erzählt er. Seitdem aß er mindestens einmal im Monat bei Stollbergs. Gerstner erinnert sich an Inges Gastfreundlichkeit und dass sie großen Wert auf die Qualität ihrer Zutaten legte – auch, wenn das hohe Einkaufspreise bedeutete. Serviert wurden französische Spezialitäten wie Schnecken, Froschschenkel, aber auch Steak und Gans. „Wenn wir mit dem Wirtinnen-Stammtisch exquisit essen wollten, sind wir zu Inge gegangen“, erzählt Evi Hiebl. Und auch so saßen die zwei nach Ladenschluss in der Gans öfter zusammen. „Dann haben wir geredet, übers G‘schäft, die Preise und die Männer.“ Hiebl lacht.

Sie behält Inge als feine Frau im Kopf, die auf wenigen Quadratmetern Küche so zauberte, dass die Gans zum Promi-Wohnzimmer wurde. Carl Gustaf von Schweden, Persiens Ex-Kaiserin Soraya, Gina Lollobrigida, Rudolph Moshammer und noch mehr Stars kamen zum Dinner. Darauf sei Inge stolz gewesen, so Hiebl. Zuletzt lebte sie in einem Pflegeheim in Bogenhausen. Obwohl sie für immer ging – die Geschichten von früher bleiben. Gans bestimmt.REGINA MITTERMEIER

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