Der Zinn des Lebens

von Redaktion

Traditions-Gießerei Mory: Abschied nach 200 Jahren

Bis 1932 war das Ladengeschäft am Promenadeplatz. Auf dem Foto sind Christl Morys Großeltern zu sehen.

Der Abschied naht: Christl Mory führt seit 40 Jahren die Ludwig Mory Zinngießerei in der Amalienstraße. © Schlaf

Das Herz von Christl Mory blutet. Ihre Zinngießerei verpasst ganz knapp das Jubiläum zum 200-jährigen Bestehen. Urgroßvater Ludwig Robert Mory gründete das Unternehmen im Jahr 1827, Christl Mory führt es in 4. Generation. Nun zieht sie sich wegen einer schweren Krankheit zurück. Eine passende Nachfolge hat sie nicht gefunden. „Es gibt niemanden“, sagt Mory. Bis Ende November muss die Werkstatt in der Maxvorstadt leer sein. Das Einzige, was die Münchnerin tröstet, ist dieser eine Satz im Testament ihres Vaters: „Möge die Firma Mory mit meiner Tochter zu Ende gehen.“

Seit 40 Jahren führt Christl Mory das Unternehmen, und es hat eine lange Geschichte: Los ging es am Promenadeplatz, 1932 verlegte Christl Morys Großvater Fritz das Ladengeschäft ins Münchner Rathaus. Die Werkstatt war zunächst in der Marsstraße untergebracht, doch das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg ausgebombt. 1952 eröffnete sie schließlich in der Amalienstraße 16. Dort ist sie bis heute.

1950 übernahm Christl Morys Vater Ludwig den Betrieb bis zu seinem Tod 1979. Darauf folgte zunächst Christls Mama, Hildegard. Anschließend kurzzeitig der Bruder, doch auch er verstarb früh. Seit 1982 steht Christl Mory an der Spitze. 2001 gab sie das Geschäft im Rathaus auf und konzentrierte sich nur noch auf die Werkstatt – doch die muss nun geräumt werden.

Schmelzöfen, Wandregale und Vitrinen sind größtenteils weg. Seit Wochen bereitet Christl Mory den Auszug und damit das Ende des Familienunternehmens vor. „Ich habe viele schlaflose Nächte. Das Einzige, was mir hilft, ist der Satz im Testament meines Vaters“, sagt sie. Ihr Vater wurde früher Zinnpapst genannt, „weil er einfach alles wusste“.

Zu den Kunden der Zinngießerei zählten unter anderem das Hofbräuhaus, Bratwurst Glöckl und die Stadt München. Besonders eine Kreation vor etwa 20 Jahren war der Renner, sagt Mory. Sie wollte einen edlen Weißwursttopf herstellen, den sich alle leisten könnten. Ein kleines Modell für sechs bis acht Würste gab es und ein großes, in das circa 14 bis 18 passen sollten. Der Topf kam so gut an, dass eines Tages eine Kundin einen Weißwurstkessel für 60 Würste bestellt hat. „Ich bin mindestens zehnmal mit dem Ton zum Metzger gerannt, um zu messen, ob da auch wirklich 60 Stück reinpassen“, sagt Mory und lacht.

Sie ist mit der Zinngießerei aufgewachsen, an ihr hängt ihr Herzblut. „Ich esse und trinke nur aus Zinn.“ Das Bier bleibt darin kühl, der Tee richtig heiß. Und das sogar den ganzen Tag über. Von 1973 bis 1978 war Mory übrigens Münchner Kindl. „Das war die schönste Zeit“, sagt sie.

Der damalige Oberbürgermeister Georg Kronawitter hat sie zu vielen Veranstaltungen mitgenommen. Auch Franz Josef Strauß durfte sie treffen. „Ich habe so viel erleben dürfen.“ Doch es könne nicht immer alles gut laufen, sagt sie. „200 Jahre Zinngießerei sollten es nicht sein. Da muss ich jetzt durch.“

Bis 28. November ist in der Zinngießerei Abverkauf. Interessierte können unter der Woche jeweils ab 14 Uhr vorbeikommen, Zinnfiguren, Zinndeckel und Tassen mitnehmen oder auch Vitrinen und Werkzeug. Am besten sollte man davor kurz anrufen unter (089) 22 45 42, damit die Chefin auf jeden Fall vor Ort ist.FRANZISKA WEBER

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