MÜNCHNER FREIHEIT

Stadtbilder zeigen nur Persönlichkeiten

von Redaktion

Neulich im Freisinger Diözesanmuseum waren sie anzutreffen, so wie es sich gehört: die Stadtbilder. Das arme Wort ist seit Wochen durch fast alle Bereiche unserer gesellschaftlichen Diskussionen – von Satire über soziologische Analyse bis zur Schimpftirade – gezerrt worden.

Neben der großen wundervollen Ausstellung „Göttlich!“ über italienische Renaissancemalerei (wir berichteten) findet sich eine kleine bescheidene mit den Stadt- und Ortsansichten von Valentin Gappnigg (1661/62-1736). Beide sind bis zum 11. Januar kommenden Jahres zu entdecken. Die Gouachen, die einst den Fürstengang des bischöflichen Baukomplexes auf dem Freisinger Berg zierten, vergegenwärtigen bis heute neben dem urbanen Wahrzeichen des Bistums seine Orte samt Landschaften.

Das Stadtbild ist in Wirklichkeit ein Mittel der Information für Auswärtige, etwa Touristen, Geschäftsreisende und Wissbegierige, und ein Mittel der Identifikation für Einheimische. Deswegen gehörten Stadtbilder schon früh zu den optischen Signalen, die die eigenen Kenntnisse stolz präsentierten und weitergaben. Am berühmtesten ist die selbstbewusste Schedelsche Weltchronik (erstmals 1493 erschienen), die auch mit Stadtbildern (Holzschnitte) prunkte. Eine Reise durch Zeit und Raum war mit dem Wälzer möglich.

Wer sich die alten Porträts komplexer menschlicher Bebauungen anschaut, merkt sofort, dass markante Gebäude das Antlitz der Stadt, des Marktes oder Dorfes ausmachen. Die typischen Gesichtszüge werden von den Türmen der Kirchen, Burgen, Schlösser, Stadttore und Rathäuser bestimmt. Die weicheren Teile werden aus den zusammengekuschelten kleinen und größeren Häusern gebildet. Die Bewohner konnten sich in ihrer Stadt, in ihrem Dorf erkennen. Das ist heutzutage in meist gesichtslosen Schlafsiedlungen, Gewerbegebieten und Wüsten aus Investoren-Schick nicht mehr möglich. Diesen Einheitsbrei gibt es überall. Niemand würde ihn als Stadtbild akzeptieren und verewigen, höchstens als architektonischen Schandfleck.

Die Veduten von dem unbekannten Oberwölzer Gappnigg oder von dem Maler-Star Canaletto oder von den Systemsprengern vom Blauen Reiter, die sich den Markt Murnau als Motiv erkoren, zeigen immer gebaute Persönlichkeiten, die einmalig sind. Sie haben eine Vita, ihre Schrullen, haben Schönes und Hässliches. Sie sind mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern verwachsen – und können deswegen Zuagroaste freundlich aufnehmen.