MÜNCHNER FREIHEIT

Können wir überhaupt Koalition?

von Redaktion

Vor zwei Wochen habe ich in dieser Kolumne herbe Kritik am Parteitag der südbayerischen SPD geübt, der auf hell erleuchteter Bühne gefordert hat, die Koalitionsvereinbarung zum Thema Grundsicherung statt Bürgergeld im Bundestag scheitern zu lassen. Wozu führt das? Meiner Meinung nach zur Schwächung der SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil, die als zuständige Minister für Soziales und Finanzen die Vereinbarung ausgehandelt haben; zur Schwächung der gesamten Sozialdemokratie, die mit dem geforderten Kurswechsel 63 Prozent ihrer Wähler verprellen und nur 30 Prozent zufriedenstellen könnte. Vor allem aber zur Handlungsunfähigkeit der „Regierung der Mitte“, die schon längst die letzte Alternative zu einem grenzenlosen Rechtsruck ist.

Und jetzt, zwei Wochen später? Jetzt zeigt die junge Gruppe der Union, dass sie zur gleichen Unvernunft fähig und das Zerfallsdatum der Koalition womöglich näher als angenommen ist. Sie will, dass eine kleine Abgeordnetengruppe die Koalitionsvereinbarung zur Rentenreform scheitern lässt. Lieber keine Lösung als eine Koalitionslösung, die nicht alle auf der eigenen Seite glücklich macht.

Da darf ich jetzt mal auch die konservative Parteijugend schimpfen: Wie könnt ihr nur so größenwahnsinnig sein, allen Ernstes zu glauben, ihr könntet in einer Koalition schalten und walten wie ihr wollt – nur weil ihr der größere Partner seid? Ihr seht doch bei den Jusos und der BayernSPD, wohin das führt! Zu schrecklichen Stimmverlusten, weil die Wähler endlich Lösungsansätze und nicht ewige Kraftproben im Stillstand sehen wollen.

Ich weiß, es geht euch um Gerechtigkeit für Generationen, so wie es den Jusos um den Sozialstaat und die Verfassungstreue geht. Können künftige Generationen wirklich zufrieden sein, wenn es die Regierung Merz zerreißt, frage ich gerade seine Parteifreunde. Und meine Parteifreunde: Ist der Sozialstaat wirklich gerettet, wenn sein Missbrauch folgenlos bleibt? Und könnte die Frage, ob Sanktionen verfassungsgemäß sind, nicht vom Verfassungsgericht sogar besser geprüft werden als von einer Fraktion, die schon bei gewichtigeren Fragen verfassungsrechtlich danebenlag?

Am Ende des Wettbewerbs, wer die eigene Koalition schneller zu Fall bringt, wird nicht Triumphgeschrei erklingen, sondern die Frage: Was nun? Ich fürchte eine Regierung ohne jede Lösungskompetenz auf allen Themengebieten der Zukunft und mit verfassungsfeindlicher Einstellung bei fast allen Grundrechten.

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