Der November ist die Pubertät des inneren Schweinehunds: Dieses Wesen, das uns mit schlechten Argumenten von jeglicher Aktivität abhält, wächst explosionsartig und verwandelt sich innerhalb weniger Tage in ein riesiges Monster mit schlechter Laune. Will ich im November joggen gehen, steht er mit verschränkten Armen vor meinem Kleiderschrank und fragt: „Laufen? Bei diesem Wetter? Echt jetzt?“ Und ich denke: „Stimmt!“ – und esse einen Lebkuchen. Zählt man die Läufe zusammen, von denen mich mein innerer Schweinehund in den letzten Wochen abgehalten hat, bin ich fast bis Innsbruck gejoggt – oder eben nicht. Zumindest im Sammeln von schlechten Ausreden erfülle ich jede Olympianorm.
Der Faulpelz in meiner Sportlerseele hat aber auch gute Argumente: Was erwartet denn den Münchner Läufer im November, wenn er vor die Haustüre geht? – Kälte, Nebel und Dunkelheit. Wenn man nicht aufpasst, stolpert man über eine Ratte oder über eine Glühweinbude. Außerdem wurde vor Kurzem im Chiemgau ein Braunbär gesichtet, und man weiß ja, welch große Strecken so ein Tier zurücklegen kann. Argumentativ ist mein innerer Schweinehund ein Fuchs. Wenn in China ein Radl umfällt, erklärt er mir, warum mich das vom Sport abhalten sollte. Und ich Trottel glaube ihm.
Unlängst aber habe ich einen ambitionierten Hobbyläufer aus meinem Freundeskreis gefragt, wie er sich Jahr für Jahr auf den „München Marathon“ vorbereitet. Sein wichtigster Rat: „Erst anmelden und dann drüber nachdenken!“ Das könnte meinen Spätherbst retten: Ich sichere mir einfach heute noch einen Startplatz beim Silvesterlauf im Olympiapark. Und wenn der innere Schweinehund demnächst wieder mit verschränkten Armen vor meinem Kleiderschrank steht, dann springt das innere Sparschwein aus seinem Versteck und schreit in breitestem Schwäbisch: „Zahlt isch!“ Also: Die Startgebühr ist schon bezahlt. Jetzt muss trainiert werden.
Wer weiß: Vielleicht begleitet mich mein innerer Schweinehund ja auf meinen Trainingsrunden. Allerdings wird das für ihn gefährlich. Denn nach ein paar Kilometern schüttet der Läufer bekanntlich Glückshormone aus – und die spülen den inneren Schweinehund einfach weg. Ganz ehrlich: Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Denn mein innerer Schweinehund ist eine ziemlich blöde Kuh.