Besuch auf der Braustelle

von Redaktion

Die neue Münchner-Kindl-Brauerei zwischen Autobahn und Ami-Siedlung will 2026 öffnen

Die Besucher (re. o.) sind beeindruckt vom Gebäude – und vom Bier (re. u.). Die Arbeiten am Gebäude sind schon recht weit fortgeschritten. © Kellner (2), Schlaf

So soll’s aussehen, wenn alles fertig ist. Im Jahr 2026 soll die Münchner-Kindl-Brauerei eröffnen. © Münchner-Kindl-Brauerei

Am Stadtrand, wo früher ein Lkw-Friedhof war, wächst derzeit etwas heran, das es schon mal gab – und nun nicht nur die Tegernseer Landstraße hier auf Höhe der Ami-Siedlung direkt an der Autobahn A995 aufwerten wird: eine Münchner-Kindl-Brauerei. Dietrich Sailer aus Traunstein hat die stillgelegte Traditionsmarke gekauft und baut sie zusammen mit seinen Söhnen Leo und Luis wieder auf – mit Idealismus, Leidenschaft und Liebe zum Detail. 50 Besucher, die an diesem Samstag über die Baustelle geführt wurden, staunen – und verlassen diesen Ort mit einer Mischung aus Nostalgie und Vorfreude.

Die Brauerei erinnert an eine dreischiffige Basilika. 30 Meter breit, 48 Meter lang – Goldener Schnitt, ein Verhältnis von 5:8, „etwas, das das Auge beruhigt“, so Dietrich Sailer. Die Fassade besteht aus trapezförmigen Klinkern, in Venetien gefertigt: 24 Formen, drei Farbtöne, neun Monate Arbeit. Sailer: „Wir wollten nix neu erfinden, sondern bauen etwas auf, was es in München schon mal gegeben hat.“ Im Inneren teilen Fahrstraße, Getränkemarkt und Wirtshaus den Raum. Der Boden: schwere Granitplatten – „die halten auch zwei Bier-Lastwagen nebeneinander aus.“ Gleich neben dem Wirtshaus entsteht ein weiterer Blickfang: zwei Braurösser werden hier ihren Platz haben. Mit ihnen soll das Bier später klassisch in nostalgischen Gespannen ausgefahren werden – ganz so, wie es früher üblich war.

Der Getränkemarkt soll bis 20 Uhr offen haben. Hauptprodukt? „Ein Holzfassl“, sagt Sailer lachend. „Zwei Größen: das 10er-Fassl, wenn man zu zweit feiert – und das 30er, wenn jeder seine Familie mitbringt.“ Im Wirtshaus stehen künftig 65 Plätze bereit, erweiterbar auf 200. Ein motorisierter, langer Tisch lässt sich von der Decke auf die Anlieferzone herunterfahren. „Das Ganze heißt dann: Saufen auf der Fahrstraße!“, ruft Sailer, der zusammen mit seinen Söhnen eine zweistellige Millionensumme in sein (Bier-)Liebhaberprojekt steckt.

Die Brauerei wird nach Fertigstellung als erste in Deutschland den Effizienzstandard KfW-40 erreichen – mit 20 Zentimetern Dämmung. Unter einer Glasplatte können Besucher den Gärbottich sehen, ein gläserner Aufzug lädt auch gehandicapte Menschen ein. „Wir werden auch die erste Inklusionsbrauerei sein.“ Und sogar neugierige Nachtschwärmer bekommen etwas geboten: Fünf QR-Code-Stationen erklären den Brauprozess. „Wir bauen eine gläserne Brauerei – Sie sind uns 24/7 willkommen.“

Unter dem Gebäude verbirgt sich der ganze Stolz der Sailers: ein 250 Meter tiefer Brunnen – der tiefste aller Münchner Brauereien. Die Bohrung war nervenaufreibend. Erst floss nur unbrauchbares Brackwasser, dann stand nächtens ein erboster Anwohner mit Axt in der Tür – weil der Bohrer irgendwann 24 Stunden laufen musste, um doch noch ein Happyend zutage zu fördern. Bei 233 Metern Tiefe stießen die Sailers schließlich auf klares Münchner Tiefenwasser – neben zwei Sorten Bier soll daraus auch einmal Mineralwasser werden. „Es war gar nicht unser Ziel, so tief zu bohren“, erklärt Luis Sailer und lehnt an einem noch verhüllten Kruzifix. „Aber der Weg war so schwer – jetzt ist das daher auch ein Ort der Andacht.“

Ebenso bemerkenswert ist die historische Dampf- und Kältemaschine aus dem Jahr 1906. Sie stand in Hessen unter Denkmalschutz und wurde von den Sailers – mit dem Argument, künftig Schulklassen zeigen zu wollen, wie man früher aus Hitze Kälte machte – beim zuständigen Amt losgeeist und nach München gebracht. Ein 85-jähriger Maschinist, der sie über Jahrzehnte bedient hatte, half noch bei der Restaurierung, starb jedoch zwei Wochen vor dem Abschluss der Arbeiten. Leo Sailer: „Unser großes Ziel ist, dass wir diese Maschine wieder zum Laufen bringen.“ Perspektivisch soll sie als Biermarkerl-Prägepresse dienen.

Für das Dunkle haben die Sailers zwei neue 4300-Liter-Eichenfässer bei einem fränkischen Weinfassbauer anfertigen lassen. Sie müssen einmal im Jahr gepicht werden – Anlass für ein „Pichenfest“. Geplant sind nur zwei Sorten: Hell und Dunkel. Die ersten beiden Sude eines Hellen – vorab in Gräfelfing gebraut – verkosten die Besucher im nachgebauten Klassenzimmer. Das Urteil der 50 Baustellen-Rundgänger: Farbe, Rezenz, Hopfennote – auch biertechnisch ist die Familie Sailer auf einem guten Weg.

Die Eröffnung ist in einem Jahr geplant. Oder später. Dietrich Sailer nimmt’s bayerisch gelassen: „Ob das jetzt ein oder zwei Monate früher ist – da verdurscht in München keiner.“

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