Heute ist nicht nur der 2. Dezember, sondern auch der Tag der Wahrheit: Ist der für Kinder, Oma, Opa, Frau, Mann, Hund, Katze, Maus gekaufte oder gebastelte Adventskalender wirklich jeden Tag eine Freude? Gestern, klar, am 1. Dezember, da freut sich jeder, da kann es auch der Stinkmorchel-Kalender sein: Hauptsache, es hängt ein Adventskalender, der zeigt, dass Weihnachten nicht mehr weit ist.
Umso bedeutsamer ist deshalb der Morgen des 2. Dezember, da sind die Reaktionen schon ehrlicher. Was am 1. Dezember noch diplomatisch überlächelt wurde, lässt sich jetzt nicht mehr kaschieren: Auf die Nachfrage „Freust du dich denn mein Schatz?“ wird am 2. Dezember nicht immer nur mit „fantastisch“ geantwortet werden, sondern mit: „Naja ich mag ja schon lieber Lego als Playmobil“ oder „Ich mag lieber Kaffee als Tee“, oder: „Du weißt doch, dass ich lieber Vollmilch- als Bitterschokolade mag.“ Und dann haben wir natürlich den Salat: Dann ist der Kalender kein „Wir freuen uns aufs Christkind“-Kalender mehr, sondern ein noch 23 Tage hängender Beweis: „Mein Partner weiß noch nicht mal, dass ich lieber Vollmilchschokolade mag“.
Wir haben dieses Jahr glatte sieben Adventskalender für vier Personen: da ist erst mal der kleine Klappkalender, den mir auch noch nach 46 Jahren die beste Patentante der Welt zum Namenstag schenkt. Dann sind da die beiden Gummibärchen-Kalender, den die Oma – natürlich ohne Rücksprache – den Kindern gekauft hat, aber Omas dürfen ja alles. Nummer 3 ist ein Playmobil-Kalender, der wie Blei im Keller lag und der jetzt endlich mal wegmuss, solange Playmobil noch annähernd ein Thema ist. Nummer 4 ist ein „Gewürze“-Kalender, den mir meine Frau geschenkt hat und ich hoffe auf Gold, Weihrauch und Myrhe im Türchen vom 24. Dezember. Und dann hätten wir da noch den Kalender mit dem großen Aufwand – und den mit den unvorhersehbaren Folgen.
Der mit dem großen Aufwand ist der, bei dem meine Frau mitgemacht hat. Das Prinzip: 24 Bastlerinnen machen 24-mal das gleiche und dann ist großer „Du nimmst eins von mir und ich eins von Euch“-Tag. Der war am ersten Advent und jetzt liegen 24 Päckchen im Regal. Wobei, das stimmt nicht mehr so ganz: Heute Morgen war großer Alarm in der Kurznachrichtengruppe „Bitte die Nummern 4, 11 und 17 unbedingt in den Kühlschrank!!“. Drei Minuten später die Korrektur: „Nein, die 3, 11 und 16!“
Der Kalender mit den unvorhersehbaren Folgen ist der, den ich zwischen 21 und 23 Uhr in aller Eile am Sonntagabend befüllen musste, der mit den Jutebeutelchen, in die überall was hineinmuss. Der Schock um 22 Uhr: Wir haben noch zu viele freie Beutelchen für eindeutig zu wenig Süßigkeiten! In der Not kam ich auf eine Idee, die mich noch teuer zu stehen kommen wird: Gutscheine, die unsere Kinder einlösen dürfen. Beispiele gefällig? „Gutschein für einmal Papa kitzeln“, „Gutschein für eine Stunde lang mit Majestät angesprochen zu werden“, „Gutschein für einmal beim Schafkopf in die Karten schauen“. Beruhigt füllte ich die noch nicht befüllten Säckchen, band sie mit einer Schleife zu, hing den Kalender an die Wand und ging in Vorfreude auf eine schöne Adventszeit ins Bett.
Im Säckchen vom 1. Dezember waren Süßigkeiten, heute ist nun der erste mit einem Gutschein. Ist heute schon der gefährlichste Gutschein drin? „Gegen Vorlage dieses Gutscheins macht Papa für 30 Minuten alles, was du willst.“ Wenn Sie mich in den nächsten Tagen zum Beispiel in einem rosa Hasenkostüm mit lautstarken Rufen „Ich bin Helmut, der gefährliche Elefant und ich verkaufe Kartoffeln!“ durch Untermenzing hüpfen sehen, wissen Sie: Der Gutschein wurde eingelöst. Und hoffentlich sind die 30 Minuten dann schon möglichst bald um.
redaktion@ovb.net