„Großer Schäferhund“ – ein Erzeugnis der Allacher Porzellanmanufaktur. © Franz Schiermeier Verlag
Der Münchner Historiker Walter Demmel hat die Geschichte der Allacher Porzellanmanufaktur aufgearbeitet. Sie ist – im Gegensatz zum Nymphenburger Porzellan – heute kaum noch bekannt. Allenfalls Sammler wissen davon. Demmel liefert in seinem Buch zahlreiche bisher unbekannte Details zu den Erzeugnissen der Porzellanmanufaktur.
Gegründet hat sie der aus Ungarn stammende Franz Nagy, Sohn eines Töpfers, der nach Ausbildung an der Münchner Kunstgewerbeschule seit 1906 eine Anstellung als Former bei der weltbekannten Nymphenburger Porzellanmanufaktur bekommen hatte, 1921 aber zu den Rosenthal-Porzellan-Fabriken in Selb wechselte.
1935 wurde Nagy gekündigt – und machte sich selbständig. Schon 1927 hatte er in Allach ein Grundstück gekauft, das sich dafür eignete. Er ließ dort noch 1935 eine Werkstätte bauen. Zusammen mit den renommierten Porzellankünstlern Karl Diebitsch und Theo Kärner gründete er Anfang 1936 die GmbH „Porzellan-Manufaktur Allach München“. Als vierter Gesellschafter kam der Kaufmann Bruno Galke dazu. Diebitsch und Galke hielten über drei Viertel des Kapitals, die direkt aus Mitteln der SS von Himmler und zusätzlich vermutlich von dem Fabrikanten Willy Sachs stammten. Diebitsch, NSDAP-Mitglied der ersten Stunde und mit Himmler gut bekannter SS-Sturmführer, hatte Nagy zur Gründung der GmbH geraten. Nagy war schon in Selb an der Herstellung der Porzellanfigur eines SS-Reiters beteiligt, wie Demmel schreibt. Ganz ahnungslos, mit wem er sich einließ, kann er also nicht gewesen sein.
1939 wurde Nagy jedoch schrittweise entmachtet und musste seinen Anteil an einen Vertreter der SS abtreten. Diese hatte den Sitz der Fabrik 1937 auf das Gelände der ehemaligen Pulver- und Munitionsfabrik Dachau verlegt, auf dem auch das KZ errichtet worden war. Nagy behielt dort noch die technische Leitung und konnte 1940 auch die Allacher Werkstatt wieder betreiben, aber er war von der SS abhängig. Himmler hatte die Absicht, mit der SS-eigenen Porzellanmanufaktur die klassische von Nymphenburg beiseitezudrängen. Letztlich misslang das.
Nagy war durchaus bereit, sich anzupassen. So trat er 1937 der NSDAP bei – seiner eigenen, falschen Erinnerung nach war er bis 1942 nur Anwärter. Auch sein Kirchenaustritt 1938 war vermutlich Entgegenkommen gegenüber dem nationalsozialistischen Zeitgeist. Dagegen war er, wie Demmel erstmals nachweist, nie Mitglied der SS. Zahlreiche ehemalige Häftlinge, die in der Porzellanmanufaktur hatten arbeiten müssen, bestätigten ihm später, dass er sie gut behandelt habe. Im Spruchkammerverfahren wurde er als Mitläufer eingestuft. Nagy versuchte, nachdem die Allacher Firma unter Treuhandverwaltung gestellt worden war, einen Neubeginn in Untermenzing, schaffte aber keinen wirklichen Aufschwung mehr.
Demmel verwahrt sich gegen die pauschale Abstempelung der Produktion zwischen 1933 und 1945 als „SS-Kitsch“. Tatsächlich wurden u. a. SS-Figuren, Julleuchter etc. hergestellt, die Himmler SS-Leuten als Geschenke zukommen ließ. Daneben fertigte man aber auch traditionelle Figuren wie Tierplastiken an.PAUL HOSER
Das Buch
Walter G. Demmel, Allacher Porzellan. Porzellankunst unter SS-Regie. Franz Schiermeier Verlag, München, 28 Euro