MÜNCHNER FREIHEIT

Verpasstes Dasein und Daheimsein

von Redaktion

Dass das Raum-Zeit-Gefüge mittlerweile völlig aus den Angeln gerutscht ist, spürt man nicht nur einmal jährlich, wenn plötzlich im Hochsommer die Lebkuchen beim Discounter auftauchen. Inzwischen liegt auch recht häufig ein Zettel vom Zustelldienst im Briefkasten, der besagt: „Wir haben Sie nicht zu Hause angetroffen.“

Weil man aber den ganzen Tag daheim war, führt die Frage nach dem rechtzeitigen Daheimsein unweigerlich zum tiefen Grübeln über das Dasein. Wo haben die geklingelt? War man wirklich daheim? Oder in einem Paralleldasein? Wie die Leute, die an Einhörner, Impf-Chip oder Atomkraft glauben? Oder will das Schicksal einem nur sagen, dass man nicht so viel Päckchen bestellen soll?

Verstörend ist auch dieser doch recht häufig verübte Telefondialog: „Du warst plötzlich weg.“ Antwort: „Nein, du warst plötzlich weg.“ Beide waren jeweils durchaus anwesend, doch weil sich das eigene Dasein jeweils sekundenlang für den Anderen in ein Wegsein verwandelt hat, werden gleich einmal Vorwürfe erhoben. Wer ist schuld? Hat man sein eigenes Verschwinden selbst verursacht? Durch das Drücken des falschen Knopfes? Durch einen mutwilligen Umzug vom Tisch zum Sofa? Schicksal oder Funkloch?

„Die Zukunft is bei mir scho lang vorbei“ hat letztens der Haderjosef zum Bezzelsebastian gesagt, und zwar im übrigens großartigen Fernsehfilm „Sturm kommt auf“. Von Karl Valentin stammt hingegen der Ausspruch „Die Zukunft war früher auch besser“.

Die Gegenwart indessen ist jetzt vollends bedenklich geworden durch eine neueste Nachricht vom Zustelldienst, diesmal von einer anderen Firma, aber gerade in dieser Branche ist Zeit ja recht was Relatives. Folgende Botschaft per E-Mail stammt vom 14.11.: „Wir haben Ihr Päckchen am 19.11. zugestellt.“ Interessant. Vielleicht war auch die Vergangenheit früher besser, man wäre halt nur gerne auch dabei gewesen. Albert Einstein, übernehmen Sie!

redaktion@ovb.net

Artikel 8 von 9