Geschäftsführer Richard Diener will mit neuem Konzept noch einmal durchstarten.
Das Gefühl, irgendwie nicht mehr mithalten zu können, kam schleichend. Doch ausgerechnet zum 80. Geburtstag der Traditionsfirma wurde Geschäftsführer Richard Diener (60) schlagartig klar, dass nichts mehr ist, wie es war. Zur Jubiläumsfeier wollte er rund 200 Kunden seines Elektrogeschäfts in Gern einladen. Dabei stellte er fest: „Viele dieser Leute gibt es gar nicht mehr, viele sind bereits verstorben“, sagt Diener.
Es sind die Kunden, die seinem Elektrofachhandel Kembügler in Gern über Jahre treu blieben, selbstverständlich bei ihm einkauften – Glühbirnen oder Waschmaschinen – und das Geschäft am Laufen hielten. Doch die Zeiten haben sich geändert, die Bedürfnisse ebenfalls. Gegen internationale Elektrohandelsketten oder Online-Shops und deren Kampfpreise können kleine Traditionsgeschäfte oft nicht mehr mithalten.
So fasste Diener kürzlich einen bitteren Entschluss: den Elektroladen, den es seit den späten 1940er-Jahren gibt, aufzugeben, und sich vollständig auf das zweite Standbein, Elektro- und Gebäudetechnik, zu konzentrieren. Anfang nächsten Jahres hätte Schluss sein sollen, die Entscheidung stand. Doch dann: „Je näher das Ende rückte, desto größer wurden meine Bedenken“, sagt er. Gemeinsam mit seinem Stiefsohn entschied er, vorerst weiterzumachen – mit einer Gnadenfrist von einem Jahr. Sollte das Geschäft dann immer noch nicht laufen, droht das Aus.
Wie kam das Umdenken? Denn: Umsatz macht die Firma schon länger hauptsächlich durch Installationen. Aber: „Der Laden ist das Gesicht der Firma. Wenn wir ihn schließen, endet ein Teil unserer Geschichte“, sagt Junior-Chef Michael Kußmann (32). Es wäre ein Schritt ohne Rückkehr – das Ende eines weiteren Traditionsgeschäfts in München.
Hinter dem kleinen Elektroladen an der Gerner Straße steckt eine lange Geschichte, die in der Nachkriegszeit begann: Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs startete der Münchner Erich Kembügler in einer Baracke in Gern mit einem Elektrohandwerksbetrieb. Nach einem Umzug kam ein kleiner Verkaufsraum dazu. Vor 70 Jahren zog die Firma an die Gerner Straße 20. Aus dem Verkaufsraum wurde ein richtiges Ladengeschäft für Elektrogeräte. Seitdem gehört es fest zu Gern.
In den 2000er-Jahren übernahm Richard Diener die Geschäfte. Doch über die Jahre kamen immer weniger Kunden, die Konkurrenz – vor allem im Internet – wuchs. „Es gibt nicht mehr die Kunden, die automatisch zu uns kommen“, sagt er. Mittlerweile seien die Einkaufspreise bei den Herstellern für ihn als Händler höher als die Preise, die Käufer bei anderen Anbietern im Internet zahlen. Größere Händler säßen durch ihre Marktmacht am längeren Hebel.
Das Geschäft reagierte darauf, indem es seine Produktpalette anpasste und die Ladenfläche reduzierte: Aktuell sind knapp 20 verschiedene Produkte im Angebot – etwa Staubsauger, Kaffeemaschinen und Glühbirnen. Neben der starken Konkurrenz kommt seit rund einem Jahr auch die wirtschaftliche Lage in Deutschland hinzu: „Keiner gibt mehr viel Geld aus“, sagt Kußmann. „Und vom Verkauf einiger Batterien und ab und zu eines Kleingeräts sind unsere Kosten auf Dauer nicht tragbar.“
Um das Geschäft zu erhalten, soll das Sortiment nun noch spezialisierter werden – unter anderem mit Designerleuchten, die es weder im Baumarkt noch online gibt. Ob das reicht, um zu bestehen? „Wir probieren’s einfach noch mal“, sagt Diener.JULIAN LIMMER