Das Bedienungsteam aus dem Jahre 1958.
Inge Santner zeigt die Speisekarte von damals.
Das waren noch Preise, allerdings für die Zeit auch nicht unbedingt ein Schnäppchen. © Marcus Schlaf (3)
Ende eines Traditionsgasthauses: Der Ratskeller schließt – nach 150 Jahren. © Michaela Hartmann
Mit dem Ratskeller verbinden viele Münchner schöne Erinnerungen. Dass jetzt nach 150 Jahren Schluss sein soll, ist für viele ein Schock. Einige waren nicht nur als Gäste im Ratskeller, sondern haben auch dort gearbeitet. Zum Beispiel Inge Santner (86). Sie hat vor fast 70 Jahren hier ihre Ausbildung zur Kellnerin gemacht. „Ich komme immer noch ab und zu her“, erzählt die rüstige Rentnerin. Vieles sieht hier noch genauso aus wie damals. Etwa das große Holzfass, das auch auf einem der Fotos abgebildet ist, die sie mitgebracht hat. Nur die Speisekarte hat sich ganz schön verändert. So gab es zu Inges Zeiten noch kein Avocado-Tomaten-Tartar. „Aber Weißwürscht und Schweinsbraten waren auch damals beliebt.“
Das Schnitzel gab es 1958 für 3,50 Mark, das Rumpsteak für 4,50 Mark. „Aber das war für die Zeit auch kein Schnäppchen. Aber es hat auch ein billiges Menü gegeben für die, die nicht so reich waren“, erzählt Inge Santner. „Oft sind sogar Bus-Gesellschaften gekommen, die solche Menüs bekommen haben.“ Für die gut Betuchten standen damals Straßburger Gänseleber-Pastete für 8 Mark oder Beluga-Kaviar für 9,80 Mark auf der Karte. Heute ist der Schwäbische Rostbraten für 38 Euro die teuerste Speise.
Von 1957 bis 59 hat Santner hier ihre Ausbildung gemacht. „Erst war ich Biermadl und hab vier Tische bedient.“ Ganz fremd war ihr das nicht, denn schon ihre Eltern hatten eine Wirtschaft bei Beuerberg. Santner lebte dann zu Beginn ihrer Lehrzeit in Freimann und fuhr „immer mit dem Moped zur Arbeit“. Um neun Uhr morgens ging‘s los, meist bis zehn Uhr abends mit einer zweistündigen Pause nachmittags. „Da sind wir manchmal ins Kino.“
Der Job war anstrengend, aber das Kellnern lag ihr. „Ich bin eigentlich immer gut mit den Leuten ausgekommen.“ Viele Männer hätten ihr Avancen gemacht. „Aber ich bin nie darauf eingegangen. Ich hab früh geheiratet und zwei Söhne bekommen.“ Inge Santner kannte den Journalisten und Schriftsteller Sigi Sommer gut. „Wenn der dich nicht mochte, war das die Hölle, aber mich mochte er und hat mich sogar zusammen mit meinem Mann auf die Wiesn eingeladen.“
Auch an den Schauspieler Siegfried Lowitz erinnert sie sich: „Als er mal im Ratskeller speiste, sagte er zu mir: Die Leute starren mich so an. Da habe ich ihm geraten, er soll sich doch andersrum hinsetzen – mit dem Gesicht zur Wand. Aber das hat er dann nicht gemacht.“ Ihr schönstes Erlebnis hatte sie auf Münchens 800-Jahr-Feier. Da hat der Ratskeller im Festsaal des Alten Rathauses eingedeckt. „Bürgermeister war damals noch Thomas Wimmer“, erinnert sich Inge. „Der sagte dann beim Empfang, ‚Ja Maderl setzt euch doch hin‘. Aber wir mussten ja servieren.“ Damals kam auch der damalige Bundespräsident Theodor Heuss. „Das war schon ein Erlebnis“, erzählt Santner. „Schade, dass Ende des Jahres hier Schluss ist.“ GABRIELE WINTER