Es gibt Begebenheiten, die in ihrer Mischung aus Tragik und Komik jeden Slapstick-Regisseur vor Neid erblassen lassen müssen. Zum Beispiel der Familienstreit in der Haushaltswarenabteilung eines Kaufhauses in der Fußgängerzone, von dem gestern in dieser Zeitung zu lesen war. Fliegende Vasen und Bratpfannen – das erinnert ein wenig an die alten Schwarzweiß-Klamotten á la Laurel & Hardy. Es zeugt von ungestümem Temperament, vermutlich auch von aufgestauter Wut, und ganz sicher von schlechter oder fehlender Kinderstube.
Letztere passt in unsere Zeit. Schließlich verschwimmt, nicht nur in der digitalen Welt, das Gefühl dafür, dass es gewisse Unterschiede zwischen privatem und öffentlichem Umfeld und dem jeweils angemessenen Verhalten gibt. Was nicht heißt, dass tätliche Angriffe daheim entschuldbar wären – Gewalt bleibt Gewalt.
Unabhängig davon wirft der familiäre Showdown zwischen Tellern und Töpfen Fragen auf. Zunächst einmal, wie die Polizei zu ihrer Einschätzung kommt, es habe keine Gefahr für Unbeteiligte bestanden. Ich jedenfalls kann die nach draußen flüchtenden Kunden gut verstehen. Immerhin lehrt die Materialforschung, dass berstendes Porzellan Splitter freisetzen kann, die mit ihrer Fluggeschwindigkeit jeden Aufschlag von Bum-Bum-Boris in seinen besten Zeiten locker überholt hätten. Zudem bestand, um im Polizeijargon zu bleiben, zumindest die abstrakte Gefahr, unversehens als Kollateralopfer von einem Bratpfannen-Querschläger niedergestreckt zu werden.
Ob die polizeilichen Ermittlungen jemals werden klären können, worum sich der Streit gedreht hat, scheint fraglich. Umso mehr Raum bleibt für Spekulationen. Dass sich die einander offenbar nicht grünen Mitglieder der Sippschaft in einer Haushaltswarenabteilung trafen, könnte auf eine bevorstehende Hochzeit hindeuten. Es wäre – Aussteuer hin, Feier her – nicht der beste Start für die Brautleute. Schon am Traualtar stünde als unsichtbarer Trauzeuge neben ihnen die Sorge, dass bei der folgenden Feier die zweite Runde der Auseinandersetzung eingeläutet wird – diesmal befeuert mit reichlich Alkohol.
Bleibt zu hoffen, dass die nun anstehenden Gespräche mit den Ermittlern zu einer gewissen Ernüchterung führen. Dann greift vielleicht sogar der Weihnachtsfriede, der sich noch immer wie durch ein Wunder nach der schon lange nicht mehr staden Zeit übers Land legt. In diesem Sinne wünsche ich den Streithanseln und -hänselinnen, dem mutmaßlichen Brautpaar, den Haushaltswarenabteilungen dieser Stadt samt Kundschaft und Personal und natürlich auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, besinnliche, friedliche Tage. Tage, in denen alles ist und bleibt, wo es hingehört: Geschenke unter dem Baum, Pfannen auf dem Herd, Geschirr im Schrank oder auf einem festlich gedeckten Tisch, Elefanten fernab von Porzellanläden in ihrem Gehege in Hellabrunn. Und böse Worte, die nur zu oft in Bewegung bringen, was sich nicht bewegen sollte, dort, wo sie laut Homer keinen Schaden anrichten: im Gehege der Zähne. Dann steht einer wirklich stillen Nacht nichts im Wege.