In München tobt ein Immobilienkrieg, seit in der vorigen Woche ohne Genehmigung ein denkmalgeschütztes Haus im Stadtteil Giesing abgerissen wurde. Es war ein potthässliches kleines Handwerkerhäuschen, das ein Bagger in 20 Minuten dem Erdboden gleich gemacht hat. Gleichwohl ist die verständliche Empörung groß gegen „Abriss-Spekulanten“, die das Ganze zu verantworten haben, was nach Meinung des Grundstückseigentümers nur ein „Missverständnis“ mit der Abrissfirma gewesen sein soll.
Was in der Giesinger Oberen Grasstraße geschah, ist ein schlechter Auswuchs der rekordhohen Grundstücks- und Immobilienpreise in München. Eigentümer mit Dollarzeichen in den Augen vergessen, dass Eigentum zum Glück sozialen Verpflichtungen unterliegt. Dazu gehört der Denkmalsschutz. Ein Abriss ohne Genehmigung, das geht gar nicht.
Damit bei uns ein Gebäude unter Schutz steht, muss es denkmalsfähig und denkmalswürdig sein. Darüber entscheiden die Denkmalbehörden. Deren Sachverständige sind nicht frei von rückgewandtem Zeitgeist. Und hier fangen manche Probleme an. Denn es liegt offenbar im Trend der Zeit, den Denkmalbegriff immer weiter auszudehnen. So ist inzwischen anerkannt, dass Denkmalschutz keine Frage von Schönheit ist. Auch besonders hässliche Gebäude werden als Denkmal eingestuft, wenn sie typisch sind für eine „abgeschlossene Architekturepoche“, wie Nachkriegsbauten oder DDR-Gebäude.
Denkmalschützer sind hochbegabt im Erfinden von Begründungen, warum ein Gebäude oder ein ganzes Ensemble ein Denkmal ist, und niemand wagt mehr, ihnen entgegenzutreten. Denn Denkmalschutz hat bei uns inzwischen eine Art Verfassungsrang. Da tun sich auch die Gerichte mit einer Überprüfung immer schwerer. Deren Gutachter unterliegen dem Zeitgeist, und der ist bei uns eher nostalgisch rückwärtsgewandt als vorausschauend.
Immense Kosten entstehen aber gerade für die öffentliche Hand durch übertriebenen Denkmalschutz. Mit alten Rathäusern und Verwaltungsbauten besitzt sie doch die meisten Baudenkmale. Bis vor die Stalltüren von Bauernhöfen ist der Denkmalschutz inzwischen vorgedrungen. Da ist es ein Glück, dass viele Denkmalpfleger und Denkmalbehördenleiter gleichwohl vernünftig geblieben sind. Da schließlich so gut wie jedes Gebäude typischer Ausdruck der Zeit seiner Erbauung ist, könnten sie viel mehr Schaden anrichten.
Als in den Nachkriegsjahren unsere Städte wieder aufgebaut wurden, spielte der Denkmalschutz eine untergeordnete Rolle. Nur die wirklich bedeutenden Baudenkmale wurden wieder hergerichtet. Als Perlen schmücken sie heute die ansonsten hochmodernen Städte. Mit unserer neuen Verliebtheit in die Vergangenheit wäre diese ganze Entwicklung kaum möglich gewesen. Auch heute bräuchten wir mehr von der Erkenntnis, dass nicht alles erhaltenswert ist, sondern dass die richtige Mischung von neu und alt den Reiz unserer Kulturlandschaft ausmacht. Ganz besonders ist auch unsere Generation berufen, diese übernommenen Werte mutig weiter zu entwickeln. Sonst steht bald an allen Hausfassaden der Spruch, der schon an einem schönen Haus der denkmalreichen Stadt Bamberg zu lesen ist: „Gott schütze mich vor Staub und Schmutz, vor Feuer, Krieg und Denkmalschutz“.
Schreiben Sie an:
Ippen@ovb.net
Wie ich es sehe