Iran und die USA

Donald Trump rüttelt am Atomdeal

von Redaktion

von Marcus Mäckler

München – Als das Abkommen endlich steht, ist dem deutschen Außenminister zum Scherzen zumute. Er habe sich ja gedacht, sagt Frank-Walter Steinmeier, dass der 30. Juni 2015 ein langer Tag wird. „Aber dass er 348 Stunden haben würde, damit habe ich nicht gerechnet.“ Hinter ihm und seinen Kollegen aus den USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich liegen gerade zwei heikle Wochen, in denen die Gespräche mit dem Iran haken. Aber am Ende ist der Atomdeal in trockenen Tüchern.

Im Kern besagt die Einigung, dass der Iran auf die Produktion von Atomwaffen verzichtet und sich für 25 Jahre internationalen Kontrollen und Beschränkungen unterwirft. Im Gegenzug hebt der Westen seine Sanktionen auf. Steinmeier nennt das damals historisch – genau wie US-Präsident Barack Obama. Jetzt ist es sein Nachfolger, der mit großen Worten für Aufsehen sorgt. Donald Trump droht, die über zwölf Jahre mühsam errungene Einigung aufzukündigen. Angeblich hat er schon eine Entscheidung getroffen. Verraten will er sie aber nicht. Sein Sicherheitsberater Herbert R. McMaster kündigte gestern aber eine neue US-Strategie für das Land an.

Trump hat schon mehrmals geätzt, das Abkommen sei der schlechteste Deal, der je geschlossen wurde. Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in New York nannte er es eine Demütigung für die USA: Dass die Welt all das ernst nimmt, zeigt sich an den Reaktionen. Der deutsche Außenminister, der inzwischen Sigmar Gabriel (SPD) heißt, sagte in New York, er sei „in großer Sorge“, dass das Atomabkommen „zerstört wird“ – obwohl es funktioniere. Deshalb wollen Deutschland und die anderen Staaten, die es ausgehandelt haben, daran festhalten, nur die USA nicht.

Dabei gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Iran die Auflagen des 100 Seiten starken Vertrags nicht erfüllt. Das Land hat sich unter anderem dazu verpflichtet, 95 Prozent des angereicherten Urans zu beseitigen und zwei Drittel der Zentrifugen zu vernichten. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde, die die Atomanlagen streng überwacht, geschieht das auch. Von den 19 000 Zentrifugen, die zur Urananreicherung nötig sind, gebe es noch 6000. Sie dürfen das radioaktive Material nur auf 3,67 Prozent anreichern, für die Atombombe braucht es 85 Prozent. Die Bestände an angereichertem Uran wurden von 12 000 auf 300 Kilogramm reduziert.

Wenig Grund, sich zu beschweren; das bestätigen auch die Amerikaner. Während die anderen Uno-Vetomächte das Abkommen aber als reinen Atomwaffen-Verhinderungsplan begreifen, knüpfen die USA offenbar mehr Erwartungen daran. Außenminister Rex Tillerson verwies in New York auf die Präambel, in der steht, dass der Iran einen „positiven“ Beitrag zur Sicherheitslage in der Region leisten solle. Diverse Raketentests und die Einmischung in die Konflikte in Syrien und im Jemen bewiesen das Gegenteil.

Analysten der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik schrieben kürzlich, Washington sehe die Vereinbarung als „politisches Druckmittel“, um die regionalen Aktivitäten des Landes einzudämmen. Der schiitische Iran gewinnt in der Region zunehmend an Macht, was die sunnitischen Kontrahenten, allen voran Saudi-Arabien, so gut es geht verhindern wollen. Trump verhehlt nicht, dass er sich den Saudis verbunden fühlt.

Würde er sich tatsächlich vom Abkommen abwenden, hätte zunächst der US-Kongress binnen 60 Tagen zu entscheiden, ob die Sanktionen gegen den Iran wieder wirksam werden sollen. Das wäre de facto ein Vertragsbruch der USA, der einen Domino-Effekt in Gang setzen könnte. In diesem Fall hätte die Islamische Republik „freie Hand“, erklärte Präsident Hassan Ruhani. Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour spitzte es gestern zu: Kein Deal heiße keine Inspektionen. Das wäre „der schnellste Weg zu einer iranischen Atombombe“.

Droht mit dem Iran ein ähnlich aufgeladener Konflikt wie mit Nordkorea? Alle 90 Tage muss die US-Regierung dem Kongress Bericht darüber erstatten, ob der Iran seine Auflagen erfüllt. Nächster Termin: 15. Oktober. Spätestens dann wird Trump seine Entscheidung verkünden.  mit dpa/afp

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