Italiens Parteien rüsten zum Wahlkampf

von Redaktion

Grillo-Populisten planen mit 30-jährigem Spitzenkandidaten – Überraschende Unterstützung für Regierungschef Gentiloni

Rom – Während in Deutschland der Wahlkampf zu Ende geht, fällt in Rimini der Startschuss für die Kampagne zur Parlamentswahl in Italien. Diese muss laut Verfassung bis spätestens Februar kommenden Jahres erfolgen; doch bereits ein Termin Ende November ist vorstellbar. Statt dem gewohnten Wettbewerb zwischen Links und Rechts dürfte es laut Demoskopen diesmal auf einen Dreikampf zwischen Partito Democratico, Forza Italia und den anti-europäischen Grillini hinauslaufen.

Die Populisten um Beppe Grillo stimmen derzeit im Internet über ihren Kandidaten für das Amt des Premiers ab. Es gibt keinen Zweifel daran, dass aus dieser Art Vorwahl der 30-jährige Luigi di Maio, derzeit einer der Vizepräsidenten des römischen Abgeordnetenhauses, als Sieger hervorgehen wird. So will es nämlich Parteiführer Grillo – und sein Wille ist in der Bewegung, deren Spitzengremien durch keinerlei Wahl legitimiert sind, Befehl.

Der vom Scheitel bis zur Sohle stets geschniegelte Neapolitaner di Maio gehört phänotypisch in jene Riege von mediengewandten jungen Politstars wie Emmanuel Macron, Sebastian Kurz oder Christian Lindner, die europaweit im Trend liegen. Das ist das Kalkül Grillos. Mit seinem Kandidaten vom Typus „idealer Schwiegersohn“ will der Erzpopulist den Wählern der breiten Mitte die Angst nehmen, für seine Bewegung zu stimmen. Der Plan könnte, folgt man den Meinungsumfragen, aufgehen: Dort liegen die Grillini nahezu konstant um ein paar Prozentpunkte vor dem regierenden Partito Democratico und der zersplitterten Rechten. Die Skandale um getürkte Listen bei Regionalwahlen oder etwa das grandiose Scheitern von Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi, unter deren Regierung sich die chaotischen Zustände in der Stadt verschlimmert haben, können Grillos Bewegung beim Wähler offenbar nichts anhaben.

Die anderen Parteien basteln fieberhaft an ihren Strategien, wie der drohende Einzug di Maios und seiner Truppe in den Regierungssitz Palazzo Chigi zu verhindern sei. Im Lager der Demokraten gerät Parteichef Matteo Renzi in die Defensive. Seine Umfragewerte sind im Keller, vielen Wählern gilt er schlicht als unsympathisch. Erstaunlicher Beliebtheit erfreut sich Regierungschef Paolo Gentiloni, dessen besonnene und väterliche Art bei den Bürgern weit besser ankommt. Mit Gentiloni als Spitzenkandidat hätte die Partei weit bessere Chancen als mit dessen Vorgänger – diese Einsicht scheint sich bei den Anhängern zu verfestigen.

Auch bei den Rechten klären sich die Fronten. Nachdem Berlusconi seine „Forza Italia“ konsolidiert und wieder auf einen bürgerlich proeuropäischen Kurs geführt hat, scheint ein Bündnis mit den Rechtsradikalen von der Lega Nord immer unwahrscheinlicher. Da der alternde Medienmogul wegen seiner rechtskräftigen Verurteilungen nicht mehr selbst kandidieren darf, wird ein Spitzenmann mit Strahlkraft gesucht. Immer häufiger fällt der Name von Antonio Tajani, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments. Ihm wird zugetraut, die bürgerlich-liberale Mitte anzusprechen. Noch ziert sich Tajani, doch in den italienischen Medien ist er auffallend präsent.

Ein Hindernis aber bleibt: Alle Versuche der Parteien, sich auf ein neues Wahlgesetz zu einigen, sind bislang gescheitert. Langsam drängt die Zeit. Ingo-Michael Feth

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