München – So hat sich Horst Seehofer seinen Herbst als CSU-Chef und Ministerpräsident nicht vorgestellt. In der eigenen Partei massiv unter Druck, das politische Erbe mit einer historischen Wahlniederlage beschädigt, seine CSU am Scheideweg. Doch wer den 68-Jährigen kennt, weiß, dass Aufgeben für ihn keine Alternative ist. „Wenn’s etwas spannender wird, steigert sich meine Befindlichkeit noch zum Positiven“, so beschrieb er unmittelbar nach der 38,8-Prozent-Pleite bei der Wahl seine Gemütslage. Tatsächlich ist das aber nur die halbe Wahrheit, wie er auf Nachfrage einräumt: „Es wäre ja schlimm, wenn das keine Spuren bei einem hinterlässt und einfach abperlt“, sagt er – am Ende einer Woche voller Anfeindungen und Rücktrittsforderungen aus der CSU.
Seehofer hat in seiner mehr als 45-jährigen Laufbahn viele Schlachten geschlagen. Oft war er es, der seine Gegner in die Ecke trieb und Positionen durchboxte. 28 Jahre im Bundestag, zwölf Jahre als Staatssekretär und Bundesminister, seit neun Jahren als Partei- und Regierungschef. Auch für die CSU eine ungewöhnliche Ämterfülle. Dafür zahlt er einen hohen Preis: „Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann.“ 2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete.
Seehofer hat seine Gegner nicht immer sanft behandelt, bis heute schreckt er vor lautstarkem Streit mit den eigenen Leuten nicht zurück. Intern unvergessen ist sein Rüffel für die Landtagsfraktion, als die das Kommunalwahlrecht zugunsten der CSU ändern wollte; oder die Machtworte zu G9 und Studienbeiträgen. Nicht umsonst werfen ihm seine Kritiker einen fast autokratischen Regierungsstil vor. Und dass er ein gnadenloser Populist sei, dass er seinen Kurs ändere wie eine Fahne im Wind – der „Koalition mit den Bürgern“ zuliebe.
Seinen Habitus konnte sich Seehofer aber nicht nur erlauben, weil er in der CSU die wichtigsten Ämter hat – sondern auch, weil er seit 2013 mit schier unerschöpflicher Autorität ausgestattet war. Er war es, der der CSU 2013 nach schweren Jahren wieder zur absoluten Mehrheit verhalf und im Bund für lang herbeigesehnte Durchschlagskraft sorgte. Die Machtarchitektur ist nun mit der Bundestagswahl stark ins Wanken gekommen. Seine vielen Kritiker vor allem aus der Landtags-CSU wittern Morgenluft. Für sie ist die Ära Seehofer vorbei, ist es Zeit für einen Generationenwechsel.
So kommt es, dass ihm am Ende der Karriere ein Meisterstück gelingen muss. Er übt sich in Gelassenheit: „Ich bin ein freier Mensch und als solcher agiere ich auch. Ohne Ängste oder Alpträume.“ Er wisse, dass ihn so etwas wie die Quadratur des Kreises erwarte. Dennoch beteuert er: „Ich habe keinen Bammel vor den nächsten Wochen.“
Chr. Trost/Marco Hadem