Berlin/München – In der Union nimmt das Murren über Angela Merkel und den Kurs der Schwesterparteien vor der Wahl zu. Zwei CDU-Ministerpräsidenten aus dem Osten Deutschlands fordern einen Kurswechsel. Auch in der CSU hält der Unmut an.
Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich forderte eine schärfere Asyl- und Einwanderungspolitik. „Wir haben Platz gelassen rechts von der Mitte. Viele unserer Anhänger haben uns nicht mehr für wählbar gehalten“, sagte er. In Sachsen wurde die AfD bei der Bundestagswahl mit fast 30 Prozent stärkste Kraft und gewann drei Direktmandate. Er verspüre „stark den Wunsch, dass Deutschland Deutschland bleiben möge“. Die CDU habe in der Endphase des Wahlkampfs keine inhaltlichen Punkte gehabt, die Wähler überzeugt hätten.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff erklärte, Deutschland könne nicht unbegrenzt Flüchtlinge integrieren. FDP und Grüne müssten in einem Jamaika-Regierungsbündnis eine „Integrationsgrenze“ akzeptieren. Haseloff forderte Merkel auf, vor 2021 eine „Staffelübergabe“ vorzubereiten. CDU-Vize Thomas Strobl aus Baden-Württemberg forderte, ein „Augen zu und weiter so“ könne es nicht geben.
Merkel sagte hingegen, die AfD-Erfolge seien auch Folge einer Verunsicherung vieler Menschen nicht nur im Osten, sondern auch im Westen. „Ich glaube, es sind zum Teil Verlustängste, man hat sich sehr viel aufgebaut, man hat viele Umbrüche in der eigenen Biografie erlebt.“
In der CSU – Spitze wie Basis – bleibt der Unmut über Merkels Kurs. „Die CDU darf sich nicht nur um die Wähler der Mitte kümmern, sondern muss sich auch wieder Mitte-Rechts öffnen“, sagte Bayerns Heimatminister Markus Söder unserer Zeitung. „Auch die CDU muss wieder Wertkonservativen Heimat bieten.“ Auch in mehreren Sitzungen, in denen CSU-Bezirksverbände den Absturz bei der Bundestagswahl aufarbeiten, wurde Kritik an Merkel und an Parteichef Horst Seehofer laut. Die Hauptschuld werde der CDU-Vorsitzenden gegeben, verlautete aus dem Niederbayern-Vorstand, eine erhebliche Mitschuld Seehofer. Der schwäbische Bezirkschef Markus Ferber sagte, sein Verband äußere sich „unisono sehr kritisch gegenüber Merkel. Bei der CDU, das fängt an der Spitze an, fehlt uns allen die Erkenntnis, dass man Probleme nicht einfach weglächeln, wegschieben kann“.
Auch in der Jungen Union, deren Spitze am Sonntag in München zusammenkam, wurde Zorn geäußert und Merkel teils Vorsatz unterstellt, der CSU im Wahlkampf geschadet zu haben. Auf einen Umgang mit Seehofer legte sich die JU nicht fest. Zweifel an seiner Spitzenkandidatur 2018 wurden laut, eine konsensfähige Alternative aber nicht benannt. Die JU verzichtete auf einen Beschluss. In allen Gremien wurde über einen „geordneten Übergang“ in der CSU gesprochen, ohne aber an der Vereinbarung zu rütteln, die Personaldebatte erst auf dem Parteitag Mitte November in Nürnberg zu führen. Christian Deutschländer