Barcelona – Seit seiner Kindheit träumt Carles Puigdemont von der Unabhängigkeit seiner spanischen Heimatregion Katalonien. Als Chef der katalanischen Regionalregierung ist er mit dem gestrigen Referendum der Verwirklichung dieses Traums einen Schritt näher gekommen.
„Wir werden nicht auf unsere Rechte verzichten“, versicherte der 54-jährige Politiker mit dem Beatles-Pilzkopf. Puigdemont hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er einen eigenen Staat Katalonien anstrebt. Auch dann nicht, als diese Haltung in der Region noch unpopulär war: „Viele Katalanen wurden erst als allergische Reaktion auf Madrids Politik zu Befürwortern einer Unabhängigkeit – er nicht, er hatte schon immer diese Überzeugungen“, sagt sein Freund, der Schriftsteller Antoni Puigverd.
In Puigdemonts Heimatdorf Amer, wo er am 29. Dezember 1962 als zweites von acht Kindern einer Bäckerfamilie auf die Welt kam, und in Girona, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, deren Bürgermeister er von 2011 bis 2016 war, galt er schon immer als Vorkämpfer für einen eigenen Staat Katalonien.
„Unsere Familie ist durch und durch für die Unabhängigkeit“, erzählt seine Schwester Anna, die heute die Bäckerei führt. „Seit ich mich erinnern kann, war Puigdemont so“, sagt Amers linksgerichteter Gemeinderat Salvador Clara. Zu seinen Überzeugungen stand Puigdemont auch, als er 1980 der liberalen Regionalpartei CDC seines Vorgängers Artur Mas beitrat. Damals strebte die CDC lediglich eine größere Autonomie von Madrid an.
Vor seiner politischen Karriere arbeitete Puigdemont als Journalist einer nationalistischen Regionalzeitung, gründete eine eigene regionale Nachrichtenagentur sowie eine englischsprachige Zeitung über die Region. Noch als Lokaljournalist in Girona startete er 1991 eine Kampagne gegen den spanischen Namen der Stadt, Gerona. Im gleichen Jahr reiste er nach Slowenien, um den Weg der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik in die Unabhängigkeit zu beobachten.
2015, als Bürgermeister von Girona, wurde er Vorsitzender der Vereinigung der Gemeinden, die sich für eine Unabhängigkeit einsetzen. Anfang Januar 2016 wählte ihn das Regionalparlament dann zum neuen Regierungschef von Katalonien.
Seine Überzeugungen hätten Puigdemont zum idealen Kandidaten für die Nachfolge von Mas gemacht, sagt der Journalist Enric Juliana. Mas galt vielen linksgerichteten Nationalisten wegen seiner Sparpolitik und seiner erst späten Wende zugunsten einer Unabhängigkeit als unwählbar – andere kreideten ihm seine Korruptionsaffären an. Puigdemont gilt seiner Unabhängigkeitsagenda zum Trotz als weltoffen. Neben Spanisch und Katalanisch spricht er fließend Englisch, Französisch und Rumänisch – die Muttersprache seiner Frau, mit der er zwei Kinder hat.