Nach Österreich-Wahl

Die Union schielt nach Wien

von Redaktion

von Marco Hadem und Jörg Blank

Berlin/München – Die beiden größten Fans von Österreichs Wahlgewinner Sebastian Kurz brauchen für ihr Statement kein Mikrofon: Nach den Sitzungen der CDU-Führung mit Angela Merkel zur Niederlage in Niedersachsen und zum Erfolg des ÖVP-Jungstars stecken Jens Spahn und Paul Ziemiak am Montag an der Balustrade im ersten Stock der Parteizentrale demonstrativ die Köpfe zusammen. So lange, bis es auch der letzte mitbekommen hat. Die beiden sind Nachwuchshoffnungen der Konservativen in der CDU – und Merkel-Kritiker.

So viel Vertrautheit zwischen dem ehrgeizigen Finanzstaatssekretär Spahn und Junge-Union-Chef Ziemiak soll Merkel natürlich signalisieren, auf welcher Seite beide stehen: eher bei Kurz, der mit markigen Anti-Migranten-Sprüchen im Wahlkampf punkten wollte. Und weniger bei Merkel, deren Flüchtlingspolitik nicht nur der CSU, sondern auch vielen in der CDU als wahre Ursache für die Schlappe bei der Bundestagswahl gilt. Spahn hatte noch in der Nacht direkt von der ÖVP-Siegesfeier in Wien ein Foto getwittert. Es zeigt ihn strahlend an der Seite von Kurz. Und auch Ziemiak twittert ein Foto von sich, gut gelaunt zusammen mit dem Österreicher.

Merkel selbst lässt sich dann auf eine Art Spagat mit Lob und deutlicher Distanz ein – wohl wissend um die Kurz-Fans in den eigenen Reihen. Sie habe dem ÖVP-Chef bereits am Sonntagabend dazu gratuliert, dass dessen Partei nach vielen Jahren wieder stärkste Kraft geworden sei. Nun mal langsam mit der Euphorie über Kurz, soll das wohl heißen: Sie selbst geht ja schließlich mit CDU und CSU als stärkster Kraft schon in die vierte Kanzlerschaft.

Der Wahlausgang im Nachbarland sei beileibe kein Zeichen dafür, „dass man die Probleme schon gelöst hat, wenn man es so macht wie in Österreich“, schränkt Merkel weiter ein. „Ich finde die politische Zusammensetzung jetzt nicht so, dass ich sie mir für Deutschland als nachahmenswert vorstelle“, sagt sie angesichts der 26 Prozent für die rechtspopulistische FPÖ. Im Vergleich dazu seien die 12,6 AfD-Prozent bei der Bundestagswahl noch eine „überschaubare“ Herausforderung.

Auf europäischer Bühne werde sie mit Kurz „hoffentlich gut miteinander zusammenarbeiten“, wünscht sich Merkel nüchtern – und hat sicher im Hinterkopf, dass der bisherige Wiener Außenminister einer ihrer stärksten Widersacher in der Flüchtlingspolitik war.

Doch die Flirtversuche kommen nicht nur vom CDU-Nachwuchs: Auch aus der CSU gibt es überschwängliches Lob für Kurz. Der mächtig unter Druck stehende CSU-Chef Horst Seehofer verbindet nach einer Sitzung der Parteispitze in München die Gratulation an den Österreicher quasi mit einem Schulterschluss: „Ich denke, das wird uns aus Bayern heraus auch ermöglichen, das wir mit unserem Nachbarn mehr inhaltliche Schnittmengen und Gemeinsamkeiten haben werden, nicht nur in der Zuwanderungsfrage, sondern auch in den europäischen Fragen.“ Merkel wird sich da jetzt schon bedanken.

Erst einmal aber muss Seehofer in den Jamaika-Runden aus seiner Sicht so viel Mitte-Rechts-Politik wie möglich durchsetzen. Beides finde sich schon im gemeinsamen Regierungsprogramm mit der CDU, betont er am Montag. Man müsse es nur „viel stärker zum Ausdruck bringen“. Die Bevölkerung erwarte einfach, dass das gemacht werde. „Das wissen alle Beteiligten“, signalisiert er Richtung Merkel.

Davor hatte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer vor zu großen Erwartungen gewarnt: Der erste Ausflug nach Jamaika werde „nicht geprägt sein von Reggae und Bob Marley und irgendeinem lässigen Style, sondern Jamaika wird ein sehr schweres Stück Arbeit“.

Merkel gibt sich angesichts von so viel Erwartung mal wieder pragmatisch. Die Jamaika-Verhandlungen mit FDP und Grünen seien jedenfalls weder durch die Wahlniederlage in Niedersachsen noch durch Österreich belastet. Und ja: Nach der Bundestagswahl gebe es in der Union einiges zu analysieren, das habe sie ja schon angekündigt. „Aber in diese Sondierungsgespräche gehe ich sehr selbstbewusst mit meinen Freunden aus CDU und CSU.“

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