Niedersachsenwahl erschwert Koalitionsbildung

Jamaika in Not

von Redaktion

Die CDU kann gar nicht so tief fallen, dass ihr Generalsekretär Peter Tauber nicht doch die Erreichung irgendeines „strategischen Wahlziels“ bejubelt: Im Falle Niedersachsens, wo die Christdemokraten jetzt auf den tiefsten Stand seit den 50er-Jahren stürzten, war es die Ablösung von Rot-Grün. Na dann: herzlichen Glückwunsch, CDU!

Noch besorgniserregender als die anhaltende Realitätsverweigerung im Konrad-Adenauer-Haus allerdings ist der Umstand, dass bei der Landtagswahl im Norden alle Jamaika-Koalitionäre in spe Stimmen einbüßten, teils sogar massiv, wie bei den Grünen. Eine Koalition, die vom Wähler schon vor den ersten Sondierungsgesprächen abgestraft wird, ist ein Novum in der deutschen Parteiengeschichte und dürfte die Bereitschaft aller Beteiligten zu Kompromissen nicht erhöhen. Der Liebesentzug zeigt, wie tief die ideologischen Gräben sind, über die am Ende nicht nur die Parteiführer, sondern auch die Mitglieder an der Basis springen müssen. Die klebten im Wahlkampf für ganz andere Ziele Plakate als für das, was am Ende als kleinster Jamaika-Nenner herauskommen dürfte.

Weil das aber nichts an der Notwendigkeit ändert, dass Deutschland am Ende des Tages eine funktionsfähige Regierung benötigt, braucht es diesmal eine andere Form von Koalitionskompromissen als sonst. Die vier Partner müssen einander Erfolge gönnen. Das geht am besten, indem man sie dort punkten lässt, wo ihre Wähler am sensibelsten sind: Im Fall der CSU dürfte das die Sicherheits- und Asylpolitik sein, gestaltet von einem Innenminister Joachim Herrmann, bei der FDP die Finanz- und Wirtschaftspolitik mit Christian Lindner. Die Grünen haben sich im Wahlkampf in den Bereichen Umwelt und wertegebundene Außenpolitik mit Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir am dezidiertesten aufgestellt. Die CDU-Wähler hingegen haben unter Angela Merkel gelernt, maximal flexibel sein zu müssen. Ihnen und Peter Tauber würde es wohl reichen, wenn ein strategisches Wahlziel erreicht würde: Merkels Kanzlerschaft noch einmal um vier Jahre zu verlängern.

Georg Anastasiadis

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