Rückkehr mit Risiko

von Redaktion

AfD will Rechtsaußen Björn Höcke langsam rehabilitieren – Mögliche Kandidatur für Bundesvorstand umstritten

München – Die Polizei hat Mühe, dass es in Halle 4.2 nicht eskaliert. 400 Personen gehen bei der Frankfurter Buchmesse aufeinander los, als der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke (45) auftritt. Seit seiner Rede zum „Denkmal der Schande“ skandalerprobt, scheint ihm der Tumult gar nicht recht gewesen zu sein. Höcke will brav wirken, stellt sich im Internet neuerdings als Beobachter seiner Partei dar und mahnt zu „Gelassenheit“. Eine auffällige Einstellung, die damit zu tun haben könnte, dass der Rechtsaußen in die Führungsebene der Bundes-AfD aufsteigen will.

Während offiziell weiter ein Ausschlussverfahren läuft, wird im Hintergrund die Kandidatur für ein Amt im Vorstand vorbereitet. Höcke dementiert lediglich Ambitionen auf das Amt des Parteichefs. Der „Spiegel“ berichtet von einem Geheimtreffen in Berlin mit den Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland, einem absoluten Höcke- Befürworter („ein Teil der Seele der AfD“).

Die Partei ist wie so oft gespalten. Höckes Unterstützer verlangen, es müsse Schluss sein mit der „Abgrenzeritis“ nach rechts. „Die Partei schuldet ihm Anerkennung und Dank“, sagt unter anderem einer aus dem bayerischen Landesverband unserer Zeitung. Dagegen protestiert das gemäßigte Lager der „Alternativen Mitte“, nach Petrys Weggang zwischen Wut und Schock schwankend. Es kursiert die Angst, durch einen erneuten Rechtsruck Wähler zu verlieren. Höcke, ein beurlaubter Gymnasiallehrer, will immerhin laut seiner Dresdner Rede vom Januar „Deutschland Stück für Stück zurückholen“, er fordert den „vollständigen Sieg“, eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ – und soll laut dem Ausschlussantrag unter Pseudonym in NPD-Publikationen veröffentlicht haben. Höcke bestritt diesen Vorwurf immer.

Was seine Karrierepläne blockieren könnte, ist der Modus des Parteitags am 2./3. Dezember. In Hannover werden nur Delegierte geladen, obwohl sich die Mehrheit in einer Befragung nach einer Initiative aus Bayern für ein Treffen aller Mitglieder ausgesprochen hatte. Der Parteikonvent lehnte das aber ab, offiziell aus organisatorischen Gründen. Höcke hätte die Zusammenkunft nutzen können, um Anhänger zu mobilisieren, von denen die meisten in den neuen Bundesländern leben. Aber auch Unterfranken ist eine Höcke-Hochburg.

Intern heißt es, dass der Thüringer unabhängig vom Parteitag etappenweise rehabilitiert wird. Ein Kompromiss sehe vor, dass das gemäßigte Lager in der Bundestagsfraktion fast alle wichtigen Ämter bekam und dafür das Ausschlussverfahren gegen Höcke ohne Ergebnis enden soll. Das Landesschiedsgericht Thüringen deutete bereits an, dass es formale Fehler in dem Antrag gebe. Der Bundesvorstand dürfte die Chance ergreifen und das Verfahren einstellen, seit mit Petrys Austritt die lauteste Kritikerin die Partei verlassen hat. In der zurückhaltendsten Variante könnte Höcke die AfD in die Thüringer Landtagswahl 2019 führen und dann im Bund neu angreifen – sofern das mit seiner neuen Gelassenheit wirklich klappt. Sebastian Dorn

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