Die Verhandlungen geraten ins Stocken

von Redaktion

Jamaika-Runde muss zunächst das interne Klima klären – Minimalkonsens statt Verhandlungs-Durchbruch

Berlin – Auf dem Balkon der ehrwürdigen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin lässt sich begutachten, wie es bei den Jamaika-Verhandlungen läuft. Lassen sich die Unterhändler gemeinsam fotografieren? Schauen die Raucher ernst oder entspannt? Am Donnerstag betritt FDP-Chef Christian Lindner den Balkon. Umarmt Alexander Dobrindt, CSU. Umarmt Armin Laschet, CDU. Umarmt nicht: Katrin Göring-Eckardt, Grüne. Immerhin: Sie lacht darüber. Das ist an diesem kühlen Herbsttag nicht selbstverständlich.

Es geht vor allem ums Klima und um Asylpolitik. Zwei Themen, an denen die Sondierungen scheitern könnten, wenn eine der vier Parteien auf stur schaltet. Um das zu vermeiden, wird erst mal übers Klima gesprochen – und zwar das interne. Der offene Streit vom Vortag, was zur Finanzpolitik nun vereinbart sei und was nicht, wirkt nach. Von einem „kleinen reinigenden Gewitter“ sprechen Teilnehmer. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll klar gemacht haben, dass eben noch nichts vereinbart sei – auch nicht die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Die hatte FDP-Vize Wolfgang Kubicki als abgemachte Sache verkauft, was die Grünen erzürnte.

Auch wenn solche Streitereien zum Sondierungs-Geschäft gehören, weil niemand so wirken will, als gäbe es Schwarz-Gelb-Grün umsonst: Eine Spirale von Sticheleien kann das Projekt gefährden.

Dobrindt, der CSU-Landesgruppenchef, nennt diesen Donnerstag einen „Härtetest für Jamaika“. Er hat für sich die Rolle des skeptischsten Verhandlers seiner Partei angenommen – und deutet in gewohnt provokanter Manier Minuten vor Gesprächsbeginn an, das Klimaschutz-Ziel für 2020 müsse auf den Prüfstand. Diese Spitze in Richtung Grüne ist fünf Stunden später vom Tisch. Zumindest halbwegs. Nach zähem Hin und Her in teils barschem Ton – angeblich wird sogar mit Gesprächsabbruch gedroht – gelingt ein Minimalkonsens: Die verschiedenen Ziele für die Minderung zum Treibhausgas-Ausstoß bleiben gültig. Das Einhalten der Klimaziele sei im Text aber ausdrücklich ein „Wollen“, das an Verhältnismäßigkeit gebunden sei, kein „Müssen“, betont die FDP.

Das Bekenntnis, dass die Klimaziele gelten, bedeutet erst mal wenig. Die Ziele gelten seit Jahren, ohne das Deutschland zuletzt seinen CO2-Ausstoß nennenswert senkte. 2020 fällt in dieser Legislaturperiode – wie bis dahin der Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken soll, bleibt offen. Trotzdem verbuchen die Grünen die Mini-Einigung als Sieg. Ohne den hätte ihr Parteitag ohnehin kaum erlaubt, in die Verhandlungsphase überzugehen.

Zwei Stunden später kommen die vier Generalsekretäre vor die Tür. Thema diesmal: Europa. Das Papier, das sie mitbringen, ist inhaltlich dünn. Im „Geist des Miteinanders“ wolle man „mit allen Partnern“ die EU weiterentwickeln. Alles andere: zu besprechen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer stellt fest, dass man schon um 11 Uhr hier stehen wollte. Es ist 17 Uhr. Drinnen diskutiert eine kleine Gruppe, wie man die Klimaziele erreichen will. Die große Runde macht beim Mega-Thema Asylpolitik weiter.

Der Tag endet mit langen Gesichtern. Die Grünen sind stocksauer: Ein Zickzackkurs sei das gewesen in der Klimapolitik, den könne man nicht brauchen. Ein gemeinsames Papier gibt es an diesem Sondierungstag nicht. Auch keines zur Asylpolitik. Man liegt zu weit auseinander, jetzt sollen die Parteichefs darüber reden. Die beiden Brocken Klima und Migration werden also weiter besprochen. Und es werde noch mal „ordentlich knirschen“, sagt Scheuer. Er meint das Thema Zuwanderung. Für’s Klima gilt das genauso. T. Dapp, R. Mayr, J. Blank

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