Freilassung Steudtners in der Türkei

Wie es dem Sultan beliebt

von Redaktion

Das scheinbare Wunder von Istanbul, dem der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner die glückliche Wiedererlangung seiner Freiheit verdankt, hat durchaus irdische Gründe. Wie jetzt ans Licht kommt, ist der unerwartete Sinneswandel der türkischen Justiz weniger rechtsstaatlicher Läuterung als dem Verhandlungsgeschick von Altkanzler Gerhard Schröder zu verdanken. Er konnte als Emissär der deutschen Regierung seine Erfahrung im Umgang mit Alpha-Männchen und Potentaten im Allgemeinen sowie seine guten Kontakte zum modernen Sultan am Bosporus im Besonderen nutzen. Auch wenn wir noch nicht wissen, was Schröder Präsident Erdogan im Gegenzug für die Freilassung Steudtners versprochen hat – nach vielen Monaten zunehmender Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis ist dies endlich ein erstes Signal der Entspannung. Weitere müssen folgen.

Steudtner war ja nur einer von über 50 Gefangenen aus Deutschland, die weiter aus politischen Gründen in türkischen Haftanstalten ausharren müssen. Inwieweit auch sie von Schröders Mission profitieren können, ist offen. Bei aller Freude über die positive Geste Erdogans ist das ganze Prozedere des Steudtner-Prozesses der Beweis für den großen politischen Einfluss des Präsidenten auf die türkische Justiz. Es reichen aus der Luft gegriffene Anschuldigungen, um unbescholtene Bürger in den Knast zu bringen, und ein Anruf aus dem Präsidentenpalast, um sie wieder auf freien Fuß zu setzen. Ein Rechtsstaat sieht anders aus.

Schröders diplomatischer Feuerwehreinsatz fand zudem nicht im luftleeren Raum statt. Er war umrahmt von klaren Ansagen der deutschen wie europäischen Politik: Reduzierung von EU-Geldern für Ankara, keine Fortschritte in Fragen der Zollunion und die Drohung mit der Aussetzung der EU-Beitrittsgespräche haben ihre Wirkung auf Erdogan sicher nicht verfehlt.

Alexander Weber

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