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Machtkampf in Rom: Hat sich Renzi verzockt?

von Redaktion

Rom – Je näher das reguläre Ende der Legislaturperiode rückt, umso höher die Nervosität in Italiens Politik. Gestern erreichte der lange schwelende Konflikt zwischen dem amtierenden Regierungschef Paolo Gentiloni und dem Parteichef des Partito Democratico (PD), Ex-Premier Matteo Renzi, einen neuen Höhepunkt auf der nach oben offenen Skala politischer Intrigen.

Vordergründig geht es um eine Personalie: Die Bestätigung des bisherigen Chefs der italienischen Notenbank, des allseits geachteten Ignazio Visco, für eine zweite Amtszeit von sechs Jahren. Der Ökonom Visco, der EZB-Chef Mario Draghi nahesteht und als Verfechter von Stabilität und Haushaltsdisziplin gilt, schien bislang unantastbar und für ein zweites Mandat gesetzt. So wollte es auch Gentiloni. Doch Renzi machte seinem Parteifreund einen Strich durch die Rechnung. Im Parlament boxte er bei Nacht und Nebel eine Resolution durch, die eine Neubestellung Viscos ablehnt und dem Gouverneur der Banca d’Italia schwere Versäumnisse vorwirft. Ein offener Affront, der nicht nur in der Finanzwelt Besorgnis über den künftigen Euro-Kurs der PD auslöste.

Die Wellen schlugen derart hoch, dass sich noch am selben Abend Staatspräsident Sergio Mattarella veranlasst sah, im Quirinal vor die Kameras zu treten, um die Machtverhältnisse klarzustellen: Nach der Verfassung sei es allein der Staatspräsident, der, nach Konsultationen mit dem Kabinett, den Präsidenten der Notenbank berufe; die Resolution sei null und nichtig. Er werde sich dabei allein von der politischen Unabhängigkeit der Zentralbank und dem Erhalt der Stabilität leiten lassen, so der Präsident. Eine offene Watschn für Renzi. Der hätte indes wissen müssen, dass er mit seinem Vorpreschen gegen die Wand läuft und sogar das Gegenteil erreicht: Visco steht nunmehr vor der sicheren Verlängerung.

Was reitet den PD-Chef? Die Antwort liegt auf der Hand: Der ehrgeizige Renzi hat seinen Sturz vor einem Jahr nie verwunden. Seinen Rücktritt empfindet er heute als Fehler. Seit geraumer Zeit lässt er daher nichts unversucht, um seinen Nachfolger Gentiloni zu zermürben und vorzeitige Neuwahlen herbeizuführen. Die könnten nunmehr problemlos stattfinden, da beide Kammern des römischen Parlaments soeben ein neues Wahlrecht verabschiedet haben. Allerdings könnte der Ex-Premier bald als König ohne Land dastehen: Seine Demokraten zerfallen mit jedem Tag mehr. Die neueste Hiobsbotschaft: Der zweite Mann im Staat, Senatspräsident Piero Grasso, hat seinen Austritt aus der PD verkündet. Der ehemalige Mafia-Jäger soll sich als Spitzenkandidat für eine neue Formation bereithalten. Diesmal könnte sich Renzi endgültig verzockt haben. Ingo-Michael Feth

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