Washington – Es sollte eine große Woche für Donald Trump werden. Die Republikaner wollen Einzelheiten der geplanten Steuerreform enthüllen, die Trump schon seit langem als historisch feiert – und die er unbedingt rasch durch den Kongress bringen muss, um endlich ein größeres Vorhaben abzuschließen. Am Freitag geht er auf seine bislang längste Auslandsreise. Aber darüber spricht in Washington gerade niemand. Stattdessen geht es wieder nur um Russland.
Sonderermittler Robert Mueller untersucht die Affäre seit Monaten. Nun präsentierte er die ersten Anklagen – und die schlugen gewaltige Wellen. Erstmals sind mit Trumps einstigem Wahlkampfmanager Paul Manafort und dessen früherem Geschäftspartner Richard Gates zwei Trump-Getreue angeklagt. Sie werden finanzieller Vergehen beschuldigt und sind unter Hausarrest. Außerdem soll mit George Papadopoulos ein Trump-Berater vorsätzlich Falschaussagen in der Russland-Affäre gemacht haben. Letzteres kam zunächst fast nebenbei, hat aber wohl das größere Gewicht.
Die Anklagen vom Montag sagen zwar nichts über die Stichhaltigkeit der Vorwürfe und Verdachtsmomente im Zentrum von Muellers Untersuchungen. Dennoch ist der Schritt des Ermittlers eine schlechte Nachricht für Trump. In ihren Reaktionen stellten Trumps Anwälte und seine Sprecherin konsequent darauf ab, dass die Anklagen nichts mit dem Präsidenten, seinem Team oder dem Weißen Haus zu tun hätten.
Dennoch verdichten die jüngsten Entwicklungen die dunkle Wolke, die seit Trumps Antritt über seinem Zirkel hängt. Von Manafort über Trumps Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn, seinen früheren Wahlkampfberater Carter Page und Trumps Langzeitfreund Roger Stone bis hin zu Trumps Schwiegersohn Jared Kushner: Sie alle sind im Zuge der Ermittlungen Muellers auf die eine oder andere Weise ins Visier geraten. Muellers Anklagen zeigen auch, dass die Ermittler Zugriff auf lange zurückliegende Steuererklärungen und Finanzunterlagen haben, auf E-Mails und anderes. Das kann Trumps Umfeld nicht wirklich beruhigen.
Deswegen dürfte die Anklage gegen Berater Papadopoulos das Weiße Haus fast noch mehr erschüttern als die gegen Manafort. Trump bemühte sich am Dienstag nach Kräften, den Ex-Berater als unwichtig, niedere Charge und weithin unwissend darzustellen. Nur: Zum einen gibt es da ein Foto, das Trump und den jungen Mann (30) am 31. März 2016 an einem gemeinsamen Tisch zeigen. Der „Washington Post“ hatte Trump seinerzeit gesagt, Papadopoulos sei ein exzellenter Junge. Nun nennt er ihn einen Lügner.
Papadopoulos hat sich schuldig bekannt, die Russland-Ermittlungen behindert zu haben. Ihm waren von einem Professor tausende Mails versprochen worden, die Clinton schaden sollten – und zwar ausdrücklich nachdem Papadopoulos begonnen hatte, für Trump zu arbeiten. Belegt ist auch, dass Papadopoulos darüber mit Trumps Team kommunizierte. Eine „Hexenjagd“, als die Trump die ganze Russland-Untersuchung seit Monaten zu diffamieren versucht, sieht wohl doch anders aus.
Und eine weitere Nachricht verstärkt bei vielen den Eindruck, dass in diesem Wahlkampf etwas nicht stimmte. Nach Angaben von Facebook ist die Verbreitung der aus Russland stammenden Polit-Anzeigen zur Spaltung der US-Gesellschaft deutlich größer als zunächst angenommen. Insgesamt könnte die Werbung 126 Millionen Nutzer erreicht haben. In den Anzeigen wurde zum Beispiel die Diskriminierung von Afroamerikanern kritisiert – aber auch Angst vor muslimischen Einwanderern geschürt. Die russische Regierung bestreitet weiterhin vehement jegliche Einmischung.
Zum Eindruck „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“, hat Trump selbst beigetragen, als er FBI-Chef James Comey im Mai feuerte. Wie Trump später sagte, spielten dessen Russland-Ermittlungen durchaus eine Rolle. Was danach folgte, war Mueller. Der Sonderermittler, von dem Trump spätestens jetzt weiß, dass er entschlossen ist. Die Russland-Affäre wird den Präsidenten noch lange verfolgen, auch wenn das Weiße Haus sie gerne bald abgeschlossen sähe. Vermutlich ragt sie mit all ihren begleitenden politischen Lähmungserscheinungen bis in das Jahr 2018 hinein. Im November sind Kongresswahlen. Gabriele Chwallek