Vancouver – Ahmed Hussen kam einst als Flüchtling aus Somalia nach Kanada. Anfangs ohne Geld, ohne Wohnung. Hussen jobbte für sieben Dollar pro Stunde an einer Tankstelle – und arbeitete sich hoch, studierte Rechtswissenschaften. Heute ist er in der Regierung von Premierminister Trudeau als Minister zuständig für Staatsbürgerschaft und Einwanderung. Diese Woche setzte Hussen die liberalen Traditionen fort und stieß mit neuen Zuwanderungsquoten die Türen seines Landes weit auf: Knapp eine Million Menschen will er in den nächsten drei Jahren neu ins Land holen, so viele wie lange nicht mehr.
„Wir glauben, dass Zuwanderer für die Zukunft unseres Landes eine entscheidende Rolle spielen“, betonte er im Parlament. Laut dem neuen Plan will Kanada im kommenden Jahr 310 000 Zuwanderer willkommen heißen, 10 000 mehr als dieses Jahr und 50 000 mehr als noch in den Jahren davor unter dem konservativen Premierminister Harper. In den folgenden Jahren soll die Quote weiter steigen, auf 340 000 im Jahre 2020. Das ist die höchste Zahl an Neuankömmlingen, die Kanada seit dem Ersten Weltkrieg aufgenommen hat.
Hussen sprach vom „ehrgeizigsten Zuwanderungsniveau in der jüngeren kanadischen Geschichte“. Sein Land brauche deutlich mehr Einwanderer angesichts der niedrigen Geburtenraten und der alternden Gesellschaft. Kanada geht mit dem neuen Drei-Jahres-Plan dabei einen ausdrücklich anderen Weg als der südliche Nachbar USA.
Knapp 60 Prozent aller Neuankömmlinge sollen anhand beruflicher Kriterien und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes ausgewählt werden. Dazu hat Kanada unter anderem das „Express-Entry System“ geschaffen, eine Art Punktesystem und Online-Bewerberpool. Aus diesem Pool können Staat und Arbeitgeber passende Bewerber auswählen. Jörg Michel